Es ist wieder so weit. Das Magazin «Cicero» publiziert alle drei Jahre eine Liste der «500 wichtigsten Intellektuellen». Ein Kommentar der Politikwissenschaftlerin Dr. Regula Stämpfli (#diepodcastin) für den Klein Report.
Willkommen in der strukturell frauenfeindlichen Medienszene deutschsprachiger Zeitungen und Zeitschriften! Entgegen lächerlicher Schlagzeilen wie jüngst im «Handelsblatt» vom 7. Januar «Studie: Frauenanteil in Vorstandsetagen steigt auf Höchststand», um die mickrigen 13,4 Prozent der untersuchten Firmen anzupreisen, ist die Wirklichkeit in der Schweiz, Deutschland und Österreich durch eine grassierende Männerquote geprägt. Die Topetagen börsennotierter deutscher Unternehmen besteht nämlich immer noch aus fetten 86,6 Prozent Männern.
Listen wie die von «Cicero» verstärken die Männerquoten auf alle Ewigkeit. Im neusten «Cicero»-Rating der «Intellektuellen» sind unter den ersten 100 gerade mal 11 Frauen zu finden. Die Männerquote hier: 89 Prozent.
Seit Jahren besetzen Alice Schwarzer und die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek die Spitzenpositionen, aber damit hat es sich auch schon. Weshalb übrigens Charlotte Roche immer noch auf der Liste ist, entzieht sich ebenso der Logik wie der beschämende 94. Platz der Jahrhundertsoziologin Jutta Allmendinger.
Was aber die Liste insgesamt mit großer Treffsicherheit zeigt: Die Intellektuellen-Ratings automatisieren die männlich definierten Codes und reproduzieren sich darüber hinaus über Jahrzehnte hinweg. Medienmänner zitieren – wie in unzähligen Studien festgestellt – Männer. Frauen werden von über 80 Prozent der Journalisten nie oder nur extrem selten befragt. Wenn Frauen porträtiert werden, was selten genug der Fall ist, passiert es häufig, dass Klischees, Vorurteile und Abwertungen Inhalt der Darstellung ist wie jüngst im Fall Sonja Rueff-Frenkel.
So zu tun, als wären die Ratings dank digitalen Methoden auf publizierte Medien angewandt, verstärkt den sexistischen Enteignungsmodus gegen Frauen. Denn die Diskriminierung nicht nur solcher Listen, sondern generell eines Mediendiskurses, der Frauen aufs Frausein reduziert sowie deren Präsenz marginalisiert, ist kein kultureller Fauxpas oder lediglich die Schuld des Patriarchats. Diese Ausgrenzung von Frauen hat gravierende ökonomische Konsequenzen in einem Zeitalter, in dem Aufmerksamkeit allein Kapitalvermehrung bedeutet. Letztlich listen sich die Medienschaffenden mit diesen Intellektuellen-Listen gleich selber.
Darüber hinaus automatisiert und repetiert sich die Männerquote mittels derartiger Ratings. Kurz: Die Männerquote bleibt unangetastet. Die diversen «Aufschrei»-Modi und Medienhypes haben an dieser für Frauen brutalen Wirklichkeit nichts verändert. Es ist zu erwarten, dass mit der Rezeption dieses Ratings die Männerquote in den Medien nochmals automatisiert und repetiert wird.
Entscheidender als die Liste der 500 Intellektuellen im deutschsprachigen Raum wäre eine Liste der «500 wichtigsten Patriarchen» im deutschsprachigen Mediensystem. Die würden die wahren Machtverhältnisse punkto Agenda-Setting, Kapitalverteilung sowie Netzwerk aufzeigen. Darin aufgelistet wäre die öffentliche Deutungsmacht von Männern, die Männer zitieren. Diese Erhebung müsste nur die 160 wichtigsten deutschsprachigen Zeitungen und Zeitschriften elektronisch registrieren und nach Referenzhäufigkeit untersuchen. Auch die Zitationen quasi «von Mann zu Mann» wären einfach zu ermitteln.
Weiter würden die Treffer mit der wissenschaftlichen Literatur-Recherche Google Scholar gespiegelt. Zum Schluss käme das biographische Archiv Munzinger hinzu: Es glänzt dank Männerquote in Medien, Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur, mit – wen wundert es – mit Männerquoten. Ach ja.
Noch etwas: Wikipedia weist weltweit nur 9 Prozent Frauen als Beitragende auf – unverändert seit 2017. Die Gender-Wars auf Wikipedia sind im deutschsprachigen Raum legendär, wie die Wikimedia-Foundation selber feststellt. Bei den deutschsprachigen Biografien beträgt der Frauenanteil deshalb immer noch wenige 16,84 Prozent.