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Dienstag
30.06.2015

Medien / Publizistik

Klein_Report_Selfie_Matter

Was wäre, wenn ein Selfie als digitales Lauffeuer um die Welt ginge, wie es einst Mani Matters «Zündhölzli» prophezeite? Käme es zum katastrophalen Teufelskreis, zur Verkettung unglücklicher Umstände oder würde die virale Blase am Ende doch platzen?

Die beiden Churer Multimedia-Production-Studenten Sarah Vettori und Sven Schnyder habens ausprobiert. Sie nahmen die Gitarre zur Hand und griffen zur Feder. «Selfie» heisst ihre Neuinterpretation von Mani Matters vielleicht bekanntestem Song «I han es Zündhölzli azündet». 

Als Erste überhaupt haben sie vom Matter & Co. Verlag die Erlaubnis erhalten, einen Song vom Berner Troubadour umzuschreiben. «I ha es Selfie vo mir gschosse
, als Narzisst bisch halt debi
, ha mi Körper präsentiert
, für mini lieb Community, ohni Hose chunt das ah, das kann jede guät verstah
», heisst es da in der ersten Strophe der Neuinterpretation. 

Noch wichtiger als das Liedtext-Update ist der gerissen gezeichnete Animationsfilm, den Vettori und Schnyder entworfen haben. Man könnte fast meinen, das berühmte Mundartlied diene bloss als Begleitung zum Film. Der rund eineinhalb-minütige Animationsfilm haben die beiden aus über 1200 digital gezeichneten Einzelbildern minutiös zusammengesetzt. 

Inhaltlich liegen zwischen dem Berner Troubadour und den Digital Natives Welten. Mani Matters Malheur mit dem «Zündhölzli» rief die Nato auf den Plan und beschwor die Gefahr eines dritten Weltkriegs herauf. Mitten im Kalten Krieg machte sein Lied auf die Zerbrechlichkeit des Friedens aufmerksam. 

Die Neuinterpretation der Handy-Generation kommt politisch bescheidener daher. Es geht um ein Schicksal einer jungen Frau, die durch ein Nackt-Selfie zum grossen Geld kommt und, als sich der kurze Ruhm verflüchtigt, in Gram und Selbstmitleid versinkt. 

Ob politische Grosswetterlage oder narzistisches Einzelschicksal, eines haben Original und Update gemeinsam: Die Katastrophe bleibt reines Gedankenspiel. «Doch zum Glück han i die Hose wieder ufeglah», endet der Song erleichtert. Ein Happy End, von dem manch eines der jüngsten Selfie-Skandälchen nur träumen konnte.