Die deutschen Regionalverlage suchen einen Ausweg aus der Kriese. Ihre letzte Chance: Das «Outsourcing» ganzer Redaktionsteile. Damit wollen die Vorreiter sinkende Auflagen wettmachen und die anhaltenden Einbrüche im Anzeigengeschäft auffangen. Die «Rhein-Zeitung» in Koblenz zum Beispiel wagte bereits zwei Mal den umstrittenen Schritt. Gemäss dem stellvertretenden Chefredaktorr Christian Lindner werden die Redaktoren der beiden neuen GmbH nicht nach Tarif bezahlt, erhalten Feriengeld, aber keine Presseversorgung und keine Gehaltsanpassung nach Berufsjahren. Ziel sei es gewesen, die neue Firma stärker im regionalen Umfeld zu verankern und die Einheiten durch kurze Entscheidungswege wendiger zu machen, argumentiert er. Grösstes Potenzial ist für Lindner, dass die Grenzen zwischen den Abteilungen fallen. Teamleiter von Service, Anzeigen und Redaktion berieten regelmässig mit der Geschäftsführung, wie das Blatt besser positioniert werden könne. Das GmbH-Leitbild sage dazu, «wir streben Wachstum an». Eine «neue Generation» von Redaktoren habe damit auch keine Probleme.
Dass die Situation bei den kleinen Lokalzeitungen «so krisenhaft wie noch nie» sei, räumt auch der Sprecher des Deutschen Journalisten Verbands (DJV), Hendrik Zörner, ein. Er allerdings steht dem Outsourcing von Redaktionen skeptisch gegenüber. In einigen Fällen seien Redaktoren in GmbH «gezwungen» worden. Tarifverträge würden gebrochen, Mitarbeiterkonditionen verschlechtert. In anderen Fällen seien festangestellte Mitarbeiter entlassen und danach als Freie weiterbeschäftigt worden. Zörner betont, sein Verband habe nichts gegen innovative Konzepte und verurteile nicht per se Änderungen im Auftreten oder Erscheinungsbild der Blätter. So lange dadurch die Zeitungen erhalten würden, «sind wir für alles offen». Nur dürfe die Trennung von Anzeigen und Vertrieb einerseits und den journalistischen Inhalten andererseits nicht verschwimmen.
Eine Alternative testeten auch die «Potsdamer Neuesten Nachrichten» (PNN). Nachdem die Zeitung mit einer Auflage von derzeit rund 15 000 ihre Vollredaktion nicht mehr halten konnte, ging sie mit dem benachbarten «Tagesspiegel» in Berlin eine enge Kooperation ein. Seit 1994 erstellt das Schwesterblatt den Politikmantel. Im Gegenzug steuert die PNN die Lokalseite aus Brandenburg bei. Die Kooperation zahlt sich aus. Die PNN ist nach eigenen Angaben die einzige Zeitung in den neuen Bundesländern, die in den vergangenen fünf Jahren ihre Auflage steigerte.
Beim Interessenverband deutscher Lokalzeitungen, der am Dienstag und Mittwoch zur Medienkrise in Berlin tagt, stossen solche Modelle auf Zustimmung. Die kleinen Zeitungen sollten sich auf ihre «Kernkompetenz» Lokales konzentrieren und in diesem Rahmen neue Wege suchen. Verbandsvorsitzender Dirk Schulte Strathaus wertet nach wie vor die Glaubwürdigkeit der Zeitung im Vergleich etwa zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen als sehr hoch. Das müssten die Verlage nutzen und durch Internetauftritte, Eventmarketing oder Leserreisen die Leser binden.
Dienstag
20.05.2003