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Dienstag
26.07.2016

Kino

Unter dem Titel «Geliebt und verdrängt: Das Kino der jungen Bundesrepublik Deutschland 1949 - 1963» zeigt das Filmfestival Locarno eine Retrospektive deutscher Filme. Viele deutsche Nachkriegsfilme gelten auch heute noch als altbacken, harmlos und wenig ernsthaft und man nennt sie deshalb auch wenig schmeichelnd «Opas Kino».

Nach den schweren Kriegsjahren lechzte Deutschland nach leichter, unterhaltsamer Massenware im Kino und die erfolgreichsten Produzenten wie Arthur «Atze» Brauner, der gerade seinen  97. Geburtstag gefeiert hat, wusste genau, welche Filme den Nerv der Zeit trafen.

Und so waren vor allem Heimat- und Liebesfilme mit Maria Schell, Marianne Koch, Romy Schneider, O.W. Fischer, Gustav Knuth oder Heinz Rühmann in den Hauptrollen die Kassenschlager der jungen deutschen Republik.

Dass aber Deutschland nicht nur harmlose Massenware produzieren konnte, bewiesen bemerkenswerte Ausnahmen wie der mehrfach preisgekrönte Antikriegsfilm «Die Brücke» von Bernhard Wicki (1959) oder auch «Es geschah am hellichten Tage», basierend auf einem Buch von Friedrich Dürrenmatt mit Gert Fröbe in der Hauptrolle, der 1958 in die Kinos kam.

Die Retrospektive in Locarno, bestehend aus rund 80 Filmen, soll ein neues Licht auf die damalige Arbeit der Regisseure werfen. So werden in Locarno unter anderem Filme gezeigt, in denen es vor Aggression und - auch sexueller - Subversion brodelt. So erweisen sich Filme wie «Die Spur führt nach Berlin» von Franz Cap (1952) oder «Viele kamen vorbei» von Peter Pewas (1955/56) als Thriller über die Ausweglosigkeit der von den Alliierten verordneten Freiheit.

«Das Bekenntnis der Ina Kahr» von Georg Wilhelm Pabst (1954) verhandelt im Heimatgewand den Geschlechterkrieg der 1950er Jahre und ein «Überläufer» wie Rolf Hansens in Nazi-Deutschland verbotener «Eine Frau fürs Leben» (1938/50) erzählt von der Wohnungsnot Ende der 30er Jahre.

Die Retrospektive des deutschen Films ist in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Filminstitut in Frankfurt entstanden. Carlo Chatrian, Künstlerischer Leiter des Filmfestivals Locarno: «Wir richten unsere Scheinwerfer auf eine Zeit des bundesdeutschen Kinos, die unseres Erachtens zu Unrecht vernachlässigt wurde. Denn nicht alles, was die Väter und Grossväter gemacht haben, ist bedeutungslos», so Chatrian weiter. «Es ist das Ziel des Festivals von Locarno, verschüttete Kinoschätze zu heben und für die jüngeren Generationen zu erschliessen.»