Die bisherigen Wahlen zum Generaldirektor der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG standen praktisch immer im Visier der (Parteien-)Politik und es galt in föderalistischer sowie regionaler Hinsicht Opportunitäten zu berücksichtigen. Mal musste es ein Westschweizer sein; ein anderes Mal wurden «interne Kandidaten» wie die beiden Tessiner Stelio Molo und Antonio Riva erkoren, die in der Südschweiz bereits als Direktoren von Radio und TV tätig waren. Mit Roger de Weck aber hält erstmals ein Journalist und Publizist in den Chefetagen im Berner Ostring draussen, wo sich die SRG-Zentrale befindet, Einzug.
An der Live-Medienkonferenz vom Schweizer Fernsehen vom Dienstag um 17 Uhr wurde der von den Gremien und dem Verwaltungsrat der SRG ernannte neue Generaldirektor den Medienleuten vorgestellt. Auch hier beschritt das nationale Medienunternehmen Neuland. Bisher fand die Ausmarchung dieses SRG-Chefpostens eher hinter verschlossenen Türen statt. Und auch Politiker aus der Berner Parlamentskaste lobbyierten im Vorfeld solcher Wahlen - zwar nur im Hintergrund - für ihren Lieblingskandidaten. Diesmal spekulierten eigentlich nur die Medien über mögliche Kandidaten. Roger de Weck aber wurde nicht als Kandidat gehandelt.
Offenbar hat die Geheimhaltung durch die SRG-Gremien funktioniert, die der SRG-Verwaltungsratspräsident Jean-Bernard Münch an der Medienkonferenz angesprochen hat. «Wir haben grossen Wert auf Persönlichkeitsschutz gelegt und alles unternommen, dass keiner der Kandidaten bekannt wurde.» Aus Dutzenden von Bewerbungen seien 21 übriggeblieben, die auf 6 danach auf 4 Kandidaten reduziert wurden, die zur SRG ihre Business Cases zu machen hatten. Aus denen wiederum seien zwei Kandidaten, so Münch weiter, zu einem eintägigen Assessment geladen worden. Dazu habe man noch weitere Referenzen über die beiden eingeholt. «Wir haben ja den Posten ausgeschrieben und damit wären auch interne Kandidaturen möglich gewesen», sagte Münch weiter, blieb aber eine Antwort schuldig, ob sich auch solche gemeldet haben.
Und diese beiden Personen seien dem Verwaltungsrat zur Entscheidung präsentiert worden, erläuterte der VR-Präsident der SRG das Wahlprozedere. Über den andern Kandidaten gab er keine Auskunft. In seiner Würdigung des neuen Generaldirektors wies Münch daraufhin, dass sich Roger de Weck in Deutschland als «Sanierer» einen Namen gemacht habe. Eine doch etwas hochgegriffene Formulierung, womit de Wecks Restrukturierungsmassnahmen bei «Der Zeit» nicht gemindert werden sollen. Die SRG ist aber je nach ökonomischer Beurteilung zurzeit ein Sanierungsfall grösseren Ausmasses.
In seiner Einführung zur Pressekonferenz hatte Moderator und SF-Bundeshauskorrespondent Hanspeter Trütsch von einer «einigermassen überraschenden Wahl» gesprochen.
Dienstag
18.05.2010



