Im Rahmen ihrer Ermittlungen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung hat die Generalstaatsanwaltschaft München zwischen Oktober 2022 und April 2023 einen Berliner Festnetzanschluss abgehört. Dieser wurde von der Klimaschutzgruppe Letzte Generation als «Pressetelefon» beworben und entsprechend für Medienanfragen genutzt.
Das zuständige Amtsgericht München wusste daher, dass in erster Linie Gespräche von Journalistinnen und Journalisten mit der Organisation überwacht werden würden, wie die «Süddeutsche Zeitung» Ende Juni publik machte.
Koordiniert von Reporter ohne Grenzen RSF und der Gesellschaft für Freiheitsrechte GFF haben drei betroffene Journalisten am Freitag nun beim Amtsgericht München einen Antrag auf Überprüfung eingereicht. Sie fragen, ob es verhältnismässig und damit rechtmässig war, ihre Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Klimaschutzgruppe über diesen Anschluss abzuhören.
Die Anträge wurden von den Journalisten Ronen Steinke, Henrik Rampe und Jörg Poppendieck gestellt. Sie werden vertreten durch Rechtsanwältin Nicola Bier.
Steinke, der die Überwachungsmassnahme aufgedeckt hat, schreibt als rechtspolitischer Korrespondent der «Süddeutschen Zeitung» regelmässig über die Letzte Generation und hat im Überwachungszeitraum mehrere Gespräche über deren Pressetelefon geführt.
Er klagt an: «Journalistengespräche abhören, ununterbrochen, monatelang, und die Abgehörten auch hinterher darüber im Dunkeln lassen – ein solcher Übergriff des Staates höhlt die Pressefreiheit aus. Vertrauliche Gespräche sind für unabhängigen Journalismus essenziell.»
Henrik Rampe ist freier Journalist und recherchierte Ende 2022 zur Letzten Generation, unter anderem für ein Porträt des Aktivisten Jakob Beyer. Im Vorfeld dazu hat er mehrere Male über das Pressetelefon kommuniziert.
Jörg Poppendieck arbeitet als Reporter für den Rundfunk Berlin-Brandenburg RBB und hat ebenfalls über das Pressetelefon ein Gespräch mit einem Vertreter der Letzten Generation geführt.
«Diese drei Fälle sind nur die Spitze des Eisbergs. Angesichts der medialen Präsenz der Letzten Generation im Überwachungszeitraum ist die Zahl der potenziell betroffenen Medienschaffenden unüberschaubar gross», sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr.
«Die Ermittlungsbehörden haben damit der Pressefreiheit in Deutschland einen immensen Schaden zugefügt. Im Interesse aller Journalistinnen und Journalisten, die befürchten, dass ihre vertrauliche Kommunikation mitgehört wurde, wollen wir das nun gerichtlich feststellen lassen. Ein solch massenhaftes Abhören von Medienschaffenden darf sich nicht wiederholen», fordert RSF.
Journalistinnen und Journalisten müssten sich bei Organisationen über deren unbequeme Protestformen informieren können, ohne befürchten zu müssen, dass ihre Gespräche abgehört werden. «Sonst ist die freie Berichterstattung in Gefahr», kritisierte Benjamin Lück, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF.
Sollte das Gericht zu dem Schluss kommen, dass die Abhörmassnahme mit Blick auf die Pressefreiheit unverhältnismässig war, müsste es die Rechtswidrigkeit der Anordnung feststellen und würde somit «ein wichtiges Zeichen für die Pressefreiheit» setzen.
Medienschaffende gelten als Berufsgeheimnisträgerinnen und -träger und haben als solche ein Zeugnisverweigerungsrecht.