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Sonntag
20.10.2024

Medien / Publizistik

«Adé 353d!»: Der Artikel des deutschen Strafgesetzbuchs aus der Kaiserzeit wird als Gefahr für die Pressefreiheit kritisiert... (Screenshot fragdenstaat.de)

«Adé 353d!»: Der Artikel des deutschen Strafgesetzbuchs aus der Kaiserzeit wird als Gefahr für die Pressefreiheit kritisiert... (Screenshot fragdenstaat.de)

Weil er Gerichtsbeschlüsse zur Telefonüberwachung der Letzten Generation veröffentlich hatte, ist der deutsche Journalist Arne Semsrott am Freitag vom Landgericht Berlin zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Der Verurteilte ist Chefredaktor des Internetportals fragdenstaat.de. Einem Bericht des Deutschlandfunks zufolge ist die Geldstrafe ausgesetzt worden. 

Der Journalist muss die Geldstrafe von 1’000 Euro demnach nur in dem Fall berappen, wenn er innerhalb des nächsten Jahres erneut straffällig wird.

Trotz der Milde des Urteils will Arne Semsrott den Fall weiterziehen. Denn darin steckt ein grundsätzliches Thema zur Pressefreiheit: Artikel 353d des deutschen Strafrechts stellt die Veröffentlichung von Gerichtsdokumenten vor dem eigentlichen Prozess unter Strafe. 

Manche Medienschaffende und Medienhäuser sehen darin einen Maulkorb. So auch der verurteilte Arne Semsrott, den die «Süddeutsche Zeitung» als «Transparenz-Aktivisten» bezeichnet.

Die Regelung sei eine Zensurregelung aus der Kaiserzeit. «In seiner aktuellen Anwendung ist § 353d Nr. 3 verfassungswidrig und muss deswegen reformiert werden», heisst es auf Semsrotts Portal fragdenstaat.de.

Im Prozess vor dem Berliner Landgericht hatte der Journalist gemäss der «Süddeutschen» zugegeben, drei Beschlüsse des Amtsgerichts München im Internet veröffentlicht zu haben. Diese betrafen ein laufendes Ermittlungsverfahren gegen die Klimagruppe Letzte Generation. Es sei ihm bewusst gewesen, dass er damit geltendes Recht verletze. Als Motiv nannte der Journalist, er wolle die Klärung dieser grundsätzlichen Rechtsfrage provozieren.

Kurz nach Bekanntwerden des Urteils meldete sich am Freitagnachmittag der deutsche Journalisten-Verband zu Wort und sprang dem Verurteilen zu Hilfe. «Wir fordern den Gesetzgeber dazu auf, den Paragrafen endlich zu reformieren», hiess es in einer Mitteilung. 

Die Regelung sei nicht mehr zeitgemäss und kriminalisiere Journalistinnen und Journalisten, «die einfach nur ihrer Arbeit nachgehen».

Der Gesetzgeber müsse Berichte zu laufenden Gerichtsverfahren von öffentlichem Interesse erlauben, solange die Privatsphäre der Betroffenen beachtet werde. «Das beinhalte auch die Veröffentlichung relevanter Gerichtsdokumente», so der Verband weiter.

Auf dem Portal des Verurteilten gibt man sich siegessicher. Notfalls gehe man den Weg durch die Instanzen – «zum Bundesverfassungsgericht oder nach Strassburg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – bis es endlich heisst: Adé 353d!»