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Samstag
21.01.2012

Politiker in Bern erwägen, von den Medienhäusern zu verlangen, dass sie die Besitzverhältnisse der Zeitungen offenlegen. Verlegerpräsident Hanspeter Lebrument reagierte sofort schroff ablehnend, weil dies die Privatwirtschaft schwäche. Warum Lebruments Reflex nicht schlau ist, erklärt Roger Blum in einem Kommentar für den Klein Report.

Sechs Parteipräsidenten forderten von der «Weltwoche», die im Verein mit Christoph Blocher seit Monaten den Nationalbankpräsidenten Hildebrand gejagt hatte, dass sie ihre Besitzverhältnisse offenlege. Die Vermutung geistert durch das Land, dass eben doch Christoph Blocher als Geldgeber hinter dem Blatt stehe. Genährt werden solche Vermutungen durch die Erfahrung mit der «Basler Zeitung», die dreimal die Hand änderte, bis schliesslich ans Licht kam, dass im Hintergrund stets Blocher die Fäden zog. Einige Politiker erwägen daher, die Medien durch ein Gesetz grundsätzlich zu zwingen, ihre Besitzverhältnisse öffentlich zu machen.

Reflexartig wies Verlegerpräsident Hanspeter Lebrument solche Absichten zurück: So viel Transparenz sei unnötig. Medienhäuser sollten nicht anders behandelt werden als andere Privatunternehmen.

Immer, wenn der Staat regulierend in den Medienbereich eingreifen will, schreien die Medienunternehmer Zeter und Mordio und pochen auf das freie Unternehmertum. Meist haben sie recht, denn die Pressefreiheit verlangt, dass sich der Staat im Medienbereich enorm zurückhält. Und sie haben auch recht, wenn sie darauf beharren, dass die Medienhäuser Privatunternehmen sind, die im freien Markt agieren und sich dem Wettbewerb stellen müssen. Manchmal vergessen die Medienunternehmer allerdings ihre eigenen Grundsätze, nämlich dann, wenn sie vom Staat Geld kriegen: Sie machten die hohle Hand, als sie dank des Gebührensplittings ihre privaten Fernsehsender in die schwarzen Zahlen führen konnten. Sie waren dafür sogar bereit, Qualitätsanforderungen des Bundesamts für Kommunikation zu akzeptieren.

Und manchmal sollten sie bewusst von ihren Grundsätzen abweichen. Denn gegen die Forderung, ihre Besitzverhältnisse offenzulegen, sollten die Verleger nicht einfach reflexartig Widerstand leisten, sondern überlegen, was ihrer Glaubwürdigkeit mehr schadet: Geheimhaltung oder Transparenz.

Im Medienbereich spricht alles für Transparenz, weil es die Hauptaufgabe der Medien ist, Öffentlichkeit herzustellen. Es ist unlogisch, dass Medien überall Transparenz einfordern, sie aber bei sich selber verweigern. Es ist unlogisch, dass sich Medienunternehmen durchs Band weg mit anderen Privatunternehmen vergleichen. Denn das Mediensystem unterscheidet sich vom Wirtschaftssystem. Während das Wirtschaftssystem Produkte für den Konsum produziert, stellt das Mediensystem in erster Linie geistige und kulturelle Werte her. Die Medien haben, wie die Gerichte immer wieder betonen und wie es auch die wissenschaftliche Lehre doziert, eine öffentliche Aufgabe. Ihnen ist beispielsweise aufgetragen, Demokratie möglich zu machen und die Verantwortungsträger in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft kritisch zu beobachten.

Seit 2007 gehören die Verleger überdies zur Stiftung Schweizer Presserat. Damit anerkennen sie die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten». Darin steht über die Rechte der Medienschaffenden: «Sie haben Anspruch auf Transparenz über die Besitzverhältnisse ihres Arbeitgebers.» Wenn die Medienunternehmer ethisch verpflichtet sind, ihre Besitzverhältnisse gegenüber ihren Journalistinnen und Journalisten bekannt zu geben, dann können sie es auch gleich gegenüber der Öffentlichkeit tun. Denn was Journalisten wissen, bleibt nie lange geheim. So könnten die Medienunternehmer von sich aus einen Schritt unternehmen: durch ein Gentlemen`s Agreement die Besitzverhältnisse offenlegen. Dann ist auch kein Gesetz nötig. Sie würden auf diese Weise für Zeitungen, Zeitschriften und Internet nachvollziehen, was das Radio- und Fernsehgesetz von ihnen bereits für konzessionierte private Radio- und Fernsehsender verlangt. Denn dort steht, dass der Bewerber eine Konzession erhält, wenn er darlegt, «wer über die wesentlichen Teile seines Kapitals verfügt und wer ihm im wesentlichen Umfang finanzielle Mittel zur Verfügung stellt» (Artikel 44 Absatz 1 Litera c).

Wenn Medien glaubwürdig sein und glaubwürdig bleiben wollen, dann ist es wichtig zu wissen, in wessen Namen oder in wessen Interesse sie agieren. Bei einer Büchse Ravioli ist es gleichgültig, wer der Hersteller ist und wer Geld in das Unternehmen gesteckt hat. Bei einer Zeitung nicht.