Der Begriff «Homestory» umschreibt, dass eine Story in einem Zuhause visualisiert wird. Wie kann eine solche Geschichte erzählt werden, wenn die Porträtierten kein Zuhause mehr haben? Weil dieses gerade von Bomben zerstört worden ist.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und seine Frau Olena Selenska haben mitten im Krieg für das Modemagazin «Vogue» eine Homestory gemacht. Die Bilder stammen von Star-Fotografin Annie Leibovitz.
Mode und Krieg: Ist eine solche Reportage in einem Hochglanz-Magazin unangebracht, während in den TV-Nachrichten weltweit täglich neue Horrormeldungen und schreckliche Details über die ungebremst steigende Anzahl von Toten auf uns niederprasseln?
Im Internet sind die Reaktionen auf die «Vogue»-Friedensoffensive bisher verheerend. Tenor der Kommentare: «Jeden Tag sterben zahllose ukrainische Soldaten, und Selenskyj so: Lasst uns ein 'Vogue'-Fotoshooting machen.»
Das Präsidentenpaar wollte mit den Bildern offenbar seinen Glauben an die Zukunft seines Landes manifestieren. Der Journalistin Rachel Donadio verriet Selenska, dass ihre ukrainischen Landsleute sie inspirieren würden. «Wir freuen uns auf den Sieg. Wir haben keinen Zweifel, dass wir uns durchsetzen werden. Und das hält uns am Laufen.»
Mehrere Fotos zeigen Selenskyj und Selenska dazu vertraut als unzertrennliches Liebespaar. Selenskyj über Selenska: «Sie ist meine grosse Liebe.»
Am Schreibtisch des Präsidenten, wo dieser sonst seine Durchhalteparolen und Forderungen nach weiteren Waffenlieferungen durchgibt, halten die beiden Händchen. Auch bei den Modefotos trägt Selesnkyi sein grünes Kampfshirt. Ein anderes Bild zeigt seine Frau auf den Treppen im Inneren des Präsidentenpalasts mit Sandsäcken im Hintergrund.
Auf einem Foto wird Selenska in wehendem Mantel vor der völlig zerstörten Antonow AN-225 gezeigt, dem ehemals grössten Flugzeug der Welt. Umringt wird die Präsidentengattin dabei von Soldatinnen, die sie zu beschützen scheinen.
Was die Selenskyjs sich von diesem Auftritt versprechen, ist unklar. In jedem Falle bedeuten die Aufnahmen Futter für alle Kritiker des ukrainischen Präsidenten. Dieser ist bekanntlich von seiner früheren Rolle als Komiker unfreiwillig in die Verantwortung als Präsident hineingewachsen worden. Ob die Bilder in dem Luxus-Magazin wie von der Redaktion beabsichtig, seinen Forderungen nach mehr Waffen und Geld aus dem Westen helfen sollen, wird noch zu beobachten sein.
Oder muss man alles ganz anders sehen und die Fotos könnten sogar eine Vision illustrieren, dass auch im zerbombten Kiew bald schon wieder ein Hochglanz einkehren wird?
