Warum berichten Auslandkorrespondenten aus der Schweiz? Nicht wegen der Schokolade, dem Käse und der direkten Demokratie, sondern in erster Linie wegen der UNO. Von dieser und anderen Studien zum Journalismus mit teilweise überraschenden, teilweise immer wieder gleichen Resultaten berichteten Forscher an der Tagung der Medienwissenschaftler in Winterthur. Für den Klein Report berichtet Roger Blum.
Gibt es überhaupt Auslandkorrespondenten, die aus der Schweiz berichten? Und warum sollten sie es tun? Michael Brüggemann von der Universität Zürich beteiligt sich an einer Studie, die Auslandkorrespondenten in 35 Ländern untersucht. Akribische Nachforschungen ergaben, dass in der Schweiz 189 ausländische Korrespondenten arbeiten. Sie wurden befragt und dabei kam heraus, dass 70 Prozent der Korrespondenten in Genf sitzen. Dort befinden sich viele Institutionen der UNO. Sie sind denn auch das primäre Motiv für die Wahl der Schweiz. Die in der Schweiz gesprochenen Sprachen beherrschen die Korrespondenten nur teilweise. Ein Viertel arbeitet für globale Nachrichtenagenturen, die anderen sind für klassische Medien tätig. Die grössten Gruppen stellen Korrespondenten aus Japan, Deutschland und China. Sie berichten einerseits über internationale Organisationen wie die UNO, anderseits über Banken. Schweizer Politik interessiert kaum.
Übernimmt WikiLeaks journalistische Aufgaben? Dieser Frage ging Philip Di Salvo von der Università della Svizzera italiana nach. Er kam zum Schluss, dass WikiLeaks teilweise journalistische Funktionen ausübt, aber nicht alle Regeln des medienethischen Kodex einhält. WikiLeaks baue Brücken zu Quellen und sei so ein Partner der klassischen Medien, sagte Di Salvo.
Wie werden globale Medienereignisse journalistisch konstruiert? Silke Fürst von der Universität Fribourg ging der Berichterstattung über die Hochzeit des königlichen britischen Paares William und Kate nach, und zwar vor dem Ereignis und danach. Sie verglich die Berichte in je fünf Zeitungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Schon vor dem Ereignis nannten 60 Prozent der Zeitungen eine genaue Zahl der Millionen oder Milliarden Zuschauer, die die Hochzeit im Fernsehen verfolgen würden. Belege für die Zahl nannten sie kaum. Das bevorstehende Ereignis wurde durch das vermutete Massenpublikum hochgeschaukelt. Aus Prognosen wurden Fakten. Medienereignisse würden journalistisch definiert, bevor sie stattgefunden haben, bilanzierte Silke Fürst. Die postulierten Zuschauerzahlen sollen die umfängliche Berichterstattung legitimieren.
Wie tiefgründig ist der Sportjournalismus? Daniel Beck von der Universität Fribourg wirkt an einer Studie mit, die die Sportberichterstattung in 22 Ländern untersucht. In der Schweiz lag der Fokus in der 2011 durchgeführten Inhaltsanalyse auf «Blick», «Tages-Anzeiger», «Neuer Zürcher Zeitung», «Le Matin», «24heures» und «Le Temps».
Schon früher hatte die Forschung herausgefunden, dass im Sportjournalismus wenig kritische Distanz zu den Sportakteuren herrscht, dass die Berichterstattung stark unterhaltenden Charakter aufweist, dass sie einseitig wenige Sportarten (beispielsweise Fussball, Autorennen, Tennis, Boxen, Eishockey, Ski) bevorzugt und dass sie sich vor allem auf Ereignisse und Resultate konzentriert und kaum Hintergründe bietet. Die neue Studie zeigt, dass sich eigentlich nichts verändert hat. Drei Viertel der Artikel beziehen sich auf Vorschauen, Wettkämpfe und Resultate. Frauen kommen in den Berichten nur zu zehn Prozent und weniger vor, und auch der Anteil der Frauen, die berichten, beträgt beispielsweise in der Deutschschweiz nur 5,8 Prozent - gegenüber 7,8 Prozent weltweit.