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Samstag
21.07.2012

Nach seiner Karriere als Journalist hat sich Karl Lüönd 1998 eine Nische als Unternehmensbiograf eröffnet und diese so erfolgreich besetzt, dass demnächst Buch Nummer 40 auf den Markt kommt. «Vom Journalismus unterscheidet sich das etwa so wie der Kurzstreckenlauf vom Marathon», sagt Lüönd im Gespräch mit dem Klein Report.

Sein auflagestärkstes Buch war «Ringier bei den Leuten», geschrieben im Hinblick auf das 175-Jahr-Jubiläum des Schweizer Verlagshauses und mittlerweile in viele Sprachen übersetzt, selbst auf Chinesisch. «So wie für dieses Buch arbeite ich gerne, man hat mir fünf Jahre Zeit gelassen und keiner hat dreingeredet, auch Frank A. Meyer nicht.»

Gleich beim ersten Gespräch macht Lüönd seinen Auftraggebern klar, dass er für Lobhudeleien nicht zu haben ist: «Wer sich auf eine solche Tiefenbohrung, eine Firmengeschichte auf 200 und mehr Seiten, einlässt, der muss wissen, dass das keine Heldensaga werden wird.» Bevor Lüönd mit seinen Recherchen beginnt, wird deshalb ein Vertrag unterzeichnet, welcher ihm auch die Möglichkeit einräumt, bei unzumutbaren Korrekturwünschen seinen Namen als Autor zurückzuziehen.

«Einmal», erinnert sich Lüönd, war er nahe daran, dies zu tun: «Die Juristen eines Unternehmens wollten eine bestimmte Zeitspanne, 1939 bis 1945, vollkommen ausklammern. Ich machte dem CEO aber klar, dass diese Lücke erst recht zum Medienthema werden würde, und da antwortete der cool: `Das ist Ihr Buch, wir finanzieren es nur.`»

Das ist das Angenehme an diesem Genre von Schriftstellerei: Der Autor muss sich nicht um den Erfolg im Buchhandel und um seine Tantiemen sorgen, alles ist im Voraus vom Auftraggeber bezahlt. Lüönd: «Gleichwohl sind alle meine Bücher aber Sortimentsbücher, also auch im Buchhandel erhältlich, die meisten erscheinen im Verlag NZZ Libro.»

Demnächst ist es die Biografie des Winterthurer Immobilienunternehmers Robert Heuberger, Vater von Medienunternehmer Günter Heuberger: «Der Mann ist mittlerweile 91, aber geistig so topfit, dass ich ihm sagte, dieses Buch müsse ich nicht schreiben, da wolle ich nur Moderator und Lektor sein. Immerhin war Heuberger früher auch Theaterautor gewesen, hatte Schwänke und Komödien verfasst und diese seinen persönlichen Theaterfreunden, Lili Palmer, Peter van Eyck, Curd Jürgens und Hildegard Knef zur Begutachtung gegeben.»

So reibungslos läuft es allerdings nur selten, stundenlange Diskussionen mit Unternehmern und Topmanagern gehören bei dieser Art von Buchjournalismus zum Alltag, manchmal wirds auch happiger. «Ich glaube, mit meiner Kuoni-Biografie habe ich den Schweizermeister gemacht», plaudert Kari Lüönd aus dem Nähkästchen. «Ich stand zwischen zwei Fraktionen, der um CEO Daniel Affolter und der um VR-Präsident Riccardo Gulotti. Von einem gewissen Kapitel gab es elf Versionen...»

Lüönd hat den Ehrgeiz, die Vergangenheit eines Unternehmens wahrheitsgetreu wiederzugeben, und so, dass alle Beteiligten damit leben können: «Vollständig wird ein solches Buches natürlich nie, und nach der reinen Lehre ist das vielleicht auch nicht richtig. Aber ich bin ja auch kein Historiker, der jede Aussage mit einer Fussnote belegen muss. Ich arbeite journalistisch, nicht wissenschaftlich.»

So sind Bücher über Hallenstadion-König Sepp Vögeli und Autokönig Emil Frey, den Grafiker Herbert Leupin, Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler, die Ems-Chemie und, gerade eben, die Zürcher Ziegeleien (heute Conzzeta), erschienen, das Stammhaus des Schmidheiny-Clans: «Das hat einen Riesenspass gemacht, weil ich als Autor sehr schön aufzeigen konnte, wie ein Unternehmen durch radikale Veränderungen nicht nur stark, sondern auch gross wurde. Seit 15 Jahren haben die nichts mehr mit Backsteinen zu tun, das ist heute ein Industrie-Gemischtwarenkonzern mit starken Konsummarken (z.B. Mammut) und viel Hightech.»

Soeben erschienen ist eine kleine Geschichte des Berner Hallwag-Verlages («Die kurvenreiche Fahrt», ca. 100 Seiten), und drei weitere Firmenbiografien sind bis 2015 in der Pipeline. Das lässt Lüönd, der 2005 als Leiter des Medieninstituts des Verbandes der Schweizer Presse zurückgetreten war («als dieses drohte, zum Vollzeitmandat zu werden»), auch kaum mehr Zeit, anderweitig als Publizist tätig zu sein: «Ich schreibe nur noch auf Zuruf. Verlangt werden meist Würdigungen, Vorworte und - immer häufiger - Nachrufe.»