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Sonntag
22.01.2012

Oscar-Gewinner Xavier Koller eröffnete mit seinem Berner Drama «Eine wen iig, dr Dällebach Kari» am Donnerstag die 47. Solothurner Filmtage. Im Mittelpunkt des Films steht das bekannte Berner Original, 1970 bereits von Kurt Früh auf die Leinwand gebracht und in jüngster Zeit als Theaterstück und Musical wiedererweckt.

Koller rückt die Liebesgeschichte zwischen Coiffeur Kari und Annemarie (Carla Juri), einer Tochter aus «gutem Hause», ins Zentrum. Dabei wird der Kern von zwei Zeitebenen «umrahmt»: Kari als armer Bauernbub mit grässlicher Hasenscharte und Kari als älterer Mann, der sich an seine grosse Liebe erinnert. Beide überzeugend verkörpert von Nils Althaus als verliebtem jungen Mann und von Hanspeter Müller-Drossaart als bravem Stadtoriginal, dem bis auf karge Ausnahmen der Mut und Witz abgeht. Die Erfüllung der unschuldigen Liebe scheitert an kruden Standesdünkeln und Annemaries unerbittlichem Vater (Bruno Cathomas).

Kollers Liebes- und Leidensfilm kann nur bedingt die Erwartungen erfüllen: Stimmig und schön inszeniert - bis auf wenige Szenen (etwa im Blumenfeld) - und mit grossem Einsatz (Maske!) gespielt. Doch die einfache und absehbare Geschichte trägt nicht den ganzen Film. Er zieht sich in die Länge, ist langsamer als das berühmte Berner Tempo (wie ein Berner Zuschauer bestätigte) und drückt auf die Tränendrüse: Ein «Weichspüler», der Frauen zu Tränen rührt, wie dem Klein Report von verschiedener Seite bezeugt wurde. Produzentin Anne-Catherine Lang (Langfilm) bekannte, sie habe geweint, doch selbst hätte sie den Stoff nicht verfilmt: «Ich bin keine Wiederholungstäterin.»

Beim Apéro mit vielen schmackhaften Bissen nach der Premierenaufführung im Konzertsaal hörte sich Klein-Report-Mitarbeiter Rolf Breiner um. Direktorin Rohrer schien mit sich, der Rede, der Resonanz und dem Film sehr zufrieden, wie auch Dokumentarfilmer Erich Langjahr, dem der Film sehr gut gefallen hat. Produzent Alfi Sinniger und Regisseur Xavier Koller, die seit 28 Jahren zusammenarbeiten («Wie in einer alten Ehe», so Sinniger), machten einen glücklichen Eindruck. Müller-Drossaart und Althaus erzählten auch, dass die Maske wegen der Hasenscharte teilweise eine Tortur gewesen sei und zu Entzündungen geführt habe. Der Berner Althaus verriet auch, dass er an einem neuen Bühnenprogramm arbeite, an einem «szenischen Liederabend». Unter dem Titel «Ehrlich gheit» will er damit im Herbst auf Tournee gehen.

Zum Filmbudget wollte Produzent Sinniger keine konkreten Angaben machen, er gab nur zu, dass diese Produktion wohl etwa zwei «Tatorte» gekostet hätte, also wohl zwischen drei und vier Millionen Franken. Der etwas geschönte andere Heimatfilm «Dr Dällebach Kari» startet am 1. März in den Kinos und wird die Gemüter bewegen, besonders wohl die weiblichen.

Am 7.7.2003: Freispruch für Regisseur Xavier Koller