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Dienstag
29.06.2010

Medien / Publizistik

Jürg Wegelin, dessen Biografie über Nicolas Hayek im vergangenen Herbst («Mister Swatch», Verlag Nagel & Kimche) erschienen ist, schreibt für den Klein Report zum Tod dieses Marketinggenies eine Würdigung:

«Was Nicolas G. Hayek in den letzten zwanzig Jahren zu einem der begehrtesten Interviewpartner der Medien im In- und Ausland gemacht hat, war nicht einfach nur seine Rolle als Retter der Schweizer Uhrenindustrie. Hayek zeigte immer auch sein ausgezeichnetes Showtalent. Neben den Wirtschaftsmedien rissen sich immer auch die Blätter der Boulevard- und der People-Presse um Mister Swatch. Hayek ist wohl der einzige Schweizer Wirtschaftsführer, der auf der Strasse von Passanten um ein Autogramm gebeten wurde. `Ich werde gefragt, wie spät es ist, wie viel Uhren ich trage, werde gelobt für einen Auftritt im Fernsehen, alte Damen wollen mich küssen`, verriet Hayek vor ein paar Jahren stolz dem Magazin des `Tages-Anzeigers`. So populär wie er war kein anderer Schweizer Unternehmer.

Wenn er sich mit Melanie Winiger Bäcklein an Bäcklein oder mit Topmodel Cindy Crawford beim Armbrustschiessen fotografieren liess, wurde nicht nur sein Faible für die Frauen, sondern auch sein Kommunikationstalent sichtbar. Er lieferte die besten Fotosujets für die sonst oft recht trockenen Wirtschaftsseiten der Zeitungen. Wenn immer sich der Chef der Swatch Group in der Öffentlichkeit inszenierte, stellte er all seine Handlungen, seine Gesten und Äusserungen in den Dienst seines Uhrenmarketings. Kaum ein anderer Unternehmer beherrschte das so gut wie er. Bei solchen Auftritten wirkte er immer authentisch, denn Hayek glaubte immer fest an das, was er sagte.

Im Grunde genommen hat Hayek der Uhrenindustrie Anfang der Achtzigerjahre das Marketing beigebracht. Denn vorher hatten dort die Ingenieure noch das Sagen. Sie bestimmten, was verkauft werden sollte. Die Konsumenten hatten sich dann gefälligst an das Angebot anzupassen. Hayek hat selber nie eine Marketingausbildung genossen, er war einfach ein Naturtalent. Wenn Marketingfachleute mit Hochschulabschluss ihn mit ihren Theorien zu belehren versuchten, schickte er sie schnurstracks in die Wüste. Für ihn war das Marketing immer Chefsache. Als er seinerzeit mit seiner Hayek Engineering die SBB zu durchleuchten hatte, ortete er genau hier den grössten Schwachpunkt, denn bei den Bundesbahnen war dies früher nur eine subalterne Funktion.

Hayek war immer ein sehr kostenbewusster Mensch. Doch beim Marketing und der Werbung sparte er nicht. Er sah sehr schnell einmal, dass er für die Kommunikation und die Promotion der Swatch ebenso viel Geld ausgeben musste wie für die Produktion, wenn die Plastikuhr auf allen wichtigen Märkten Fuss fassen sollte. Das war für die Uhrenindustrie Anfang der Achtzigerjahre völlig neu, überrundete sie damit sogar die Kosmetikindustrie.

Schon bald konnte rund um die Uhr mit der Gründung eines Swatch Collectors Club und weiteren unkonventionellen Ideen ein regelrechter Swatch-Kult geschaffen werden. Um den Fun-Charakter dieser Uhr zu unterstreichen, kam man auf die Idee, am Gebäude der Deutschen Commerzbank in Frankfurt eine 13,5 Tonnen schwere Mega-Swatch mit einer Länge von 165 Metern aufzuhängen. Diese Riesen-Swatch schaffte es, im Guiness-Buch der Rekorde eingetragen zu werden. Mit der Aktion wollte Hayek unterstreichen, dass es zwischen der sehr günstigen Swatch und der gehobenen Kundschaft dieser Bank keinen Graben gibt. Weitere solche Mega-Uhren hingen in den folgenden Jahren unter anderem in Barcelona und in Tokio. Und die viel kleinere, aber immerhin zwei Meter lange Maxi-Swatch gehörte im Ausland bald zur festen Ausstattung jeder Schweizer Botschaft.

Aber auch für Omega griff Hayek tief in die Tasche, als er die Führung des Konzerns übernahm. Er baute das Personal zwar rigoros auf einen Drittel des bisherigen Bestands ab. Doch gleichzeitig stockte er wieder auf, indem er mehr als zwei Dutzend Marketingfachleute einstellte. Es waren alles Spezialisten, die bisher nichts mit der Uhrenindustrie zu tun hatten - das war sogar eine Bedingung für eine Anstellung. Hayek wollte Leute, die unbefangen ohne den Mief aus der Zeit der alten Uhrenbarone an die Arbeit gehen konnten. Seine Ideen entsprangen immer seinem Bauchgefühl. Diese Art von Marketing lässt sich in keinem Marketingkurs lernen.»