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Mittwoch
26.10.2011

Jürg Ramspeck, ehemals «Weltwoche»-Chefredaktor und «Blick»-Kolumnist, erinnert sich an seine kurze Zeit mit Peter Uebersax auf der «neuen presse». Der ehemalige «Blick»-Chefredaktor Peter Uebersax starb am 20. Oktober 2011 in seinem Haus in Herrliberg.

«Es ist schon ziemlich vergessen, dass sich der `Tages-Anzeiger` im Jahre 1967 an das Thema Boulevardzeitung heranwagte und 16 Monate lang die `neue presse` herausgab. Deren Chefredaktor war Peter Uebersax, dem ich als Leiter einer Feuilleton-Seite diente - denn dem Blatt war von der Herausgeberschaft auferlegt, eine Boulevardzeitung `mit Niveau` zu sein. So kurz die Lebenszeit der `neuen presse` ausfiel, so intensiv wurde ihre Existenz von der Redaktion erlitten, denn es galt nicht nur, einen harten Kampf mit dem `Blick` aufzunehmen, sondern auch die erklärte Feindschaft der Kollegen vom `Tagi` auszuhalten.

Uebersax war der Turm in der Schlacht. Von ihm war zu lernen, was Standfestigkeit heisst. Er war morgens der Erste im Büro, verliess es nicht vor Drucklegung und war in 16 Monaten gerade mal eine Woche lang ferienhalber abwesend. Zu lernen war von ihm auch ein Röntgenblick für die interessierende Substanz einer Nachricht, der allgegenwärtig die Themenbearbeitung beherrschte. An ihm lag es nicht, dass die Zeitung ohne Chance blieb - sie hatte im Haus einfach nicht den erforderlichen Rückhalt. Die Mitarbeiter erlebten ihn als unerbittlichen, aber fairen Zuchtmeister, der sich nicht zu schade war, eine 15-Zeilen-Meldung selber zu verfassen, wenn der zuständige Schriftleiter mit ihrer Formulierung nicht zu Rande kam.

Zwar gab mir Uebersax gelegentlich zu verstehen, dass er unter `Kultur` nicht unbedingt die Kritik einer Verdi-Aufführung im Stadttheater Bern verstand. Kultur wäre für ihn ein Mensch mit zwölf Fingern gewesen, den man aufgrund seiner Anomalie als überragenden Klaviervirtuosen feiert. Aber er nahm sich da selber nicht so ernst, wie denn überhaupt Humor zu den Eigenschaften zählte, die er durchaus aufblitzen liess.

Im Lichte seiner späteren politischen Feuerfassung für die SVP ist bemerkenswert, dass die `neue presse` als Publikation mit deutlichem Linksdrall galt. Die Redaktion war mit lauter SP-Sympathisanten bevölkert und die bekennendsten unter ihnen waren seine Lieblinge. Den Schriftsteller Walter M. Diggelmann, der in meinem Feuilleton engagiert war und aus seiner Anti-Bürgerlichkeit keinen Hehl machte, behandelte er mit Hochachtung.

Wir alle waren traurig, als an einem Montagmorgen im Februar 1969 Verleger Otto Coninx auf der Redaktion erschien und kundtat, die gerade in Arbeit befindliche Ausgabe wäre dann die letzte gewesen. Traurig auch für ihn, Peter Uebersax, der sich die ganze Zeit von seinen Auseinandersetzungen mit der Geschäftsetage absolut nichts hatte anmerken lassen und bis zum letzten Buchstaben, der in den Satz ging, ein sturmsicherer Kapitän gewesen war. Und vielen, die auf der `neuen presse` tätig gewesen waren, ein guter Freund blieb.»

Peter Uebersax über den heutigen «Blick»