Erwartungshaltung trifft auf Realität: Ein Grossaufgebot von 70 bis 80 überwiegend männlichen Journalisten wollte sich den ersten öffentlichen Auftritt von Steve Bannon in Europa nicht entgehen lassen. Der Klein Report hat nachgefragt, welche Eindrücke sie aus Zürich von einem der grössten Skeptiker der «Mainstream-Medien» mitgenommen haben.
«Mich hat interessiert, welches Publikum kommt, und die Frage, ob der Stil von US-Politikern in der Schweiz ankommen würde», erklärte Peter Hossli, ehemaliger Chefautor der Blick-Gruppe, dem Klein Report. Hossli hat als Korrespondent in den USA schon viele Politauftritte erlebt: «Sie sind vom Stil her erzählerischer und mitreissender als in der Schweiz.»
Genauso wie Hossli wollten sich auch Journalisten, die für internationale Medien tätig sind, mit ihren eigenen Augen ein Bild von Steve Bannon machen. «Er ist eine Art internationaler Popstar. Unsere Leser lieben fast alles, das mit Donald Trump zusammenhängt», erklärte Kaarel Kressa, der extra für den Auftritt von Estland nach Zürich geflogen ist. Er schreibt für die Tageszeitung «Eesti Päevaleht».
Im Gespräch mit Personen aus dem Publikum hätten sich viele als «skeptisch und neugierig» bezeichnet, so Kressas Eindruck: «Es scheint, als ob viele einfach gekommen sind, um die Show zu sehen. Keine Alt-Right-Frisuren oder Skinheads in Sicht.» Das deckt sich mit Peter Hosslis Wahrnehmung: «Das Publikum war nach meinen Beobachtungen jung und gut gebildet, unter ihnen vermutlich viele Studierende.»
Hat der blumige Rhetoriker die Journalisten überzeugt? «Steve Bannon setzte voll auf martialische Worte und markige Sprüche. Es fehlten jegliche Schattierungen zur Sicht auf die Welt und zu Trumps Wirken: Schlagwort folgte auf Schlagwort», befand Alex Reichmuth, der seit November 2017 für die «Basler Zeitung» schreibt. «Es war ein Auftritt im Stil amerikanischen Wahlkampfes: Die Welt wird strikt in schwarz-weiss unterteilt, für Zwischentöne hat es keinen Platz.»
Neben den bekannten Parolen habe es nicht viel Neues gegeben, findet Peter Hossli: «Eine Ausnahme war die Aussage, dass Bannon Kryptowährungen als geeignetes Mittel sieht, um Zentralbanken anzugreifen.» Ansonsten habe ihn die Rede von Steve Bannon «inhaltlich stark an Auftritte von Donald Trump erinnert», wie er dem Klein Report sagte. «Insbesondere die Angriffe gegen Hillary Clinton und das Verständnis für Wähler, die sich als Verlierer der Globalisierung sehen.»
Alex Reichmuth wiederum sei überrascht, «wie loyal und scheinbar vorbehaltlos Bannon noch immer hinter Trump steht. Immerhin wurde er von diesem ja gefeuert, und Trump sagte später sogar, Bannon habe nach seinem Job nun auch seinen Verstand verloren.»
Inhaltlich habe es bei den Ausführungen des ehemaligen Chefstrategen von Donald Trump hingegen keine grossen Überraschungen gegeben, sind sich die befragten Journalisten einig. Deshalb bleiben sie auch nach dem Auftritt skeptisch gegenüber Steve Bannon: «Er war ziemlich lustig und charmant. Aber wenn man genau hinsieht, sind viele seiner Argumente nicht wasserdicht: Die Regierungsparteien in Tschechien, Ungarn und Polen als `Anti-Establishment` zu bezeichnen, wirkt ziemlich abwegig», führt Kaarel Kressa beispielhaft aus.
Gibt es eine Message, welche die Medienvertreter dennoch mitnehmen konnten? «Die Einsicht, dass die amerikanische Mentalität sich von der europäischen Mentalität wohl grundsätzlich unterscheidet. Wir Europäer mögen das Differenzierte, Nachdenkliche oder sogar Selbstkritische. In Amerika scheint so etwas gar nicht gefragt zu sein», findet BaZ-Journalist Alex Reichmuth.
Und Kaarel Kressa von «Eesti Päevaleht» ergänzt: «Bannon scheint in einem Punkt recht zu haben: Populisten sind populär – zumindest bis sie an die Macht kommen.»