«Was man schwarz auf weiss besitzt, kann man getrost nach Hause tragen», hat Johann Wolfgang von Goethe einmal gesagt. Damals wusste der Dichter noch nicht, dass es neben Print eines fernen Tages Soziale Medien geben wird.
Seither grassiert die Desinformation, denn die sogenannten Wahrheiten sind immer mehr von intransparenten Algorithmen und übermächtigen Technologiekonzernen verfälscht. Damit verliert der Qualitätsjournalismus weltweit an Ansehen, Reichweite und Einnahmen. «Das macht ihn weniger wettbewerbsfähig», hat Reporter ohne Grenzen (RSF) zusätzlich errechnet.
Mit einer Journalism Trust Initiative (JTI) von Reporter ohne Grenzen (RSF) will man das jetzt ändern. Dazu braucht es Partner. Und einen solchen hat RSF mit Steady, der grössten Internetplattform zur Projektfinanzierung aus Europa, gefunden, wie RSF am Montag mitteilt.
Die Journalism Trust Initiative setzt sich für professionelle ethische Standards im globalen Informationsraum ein. Dafür habe die JTI «Indikatoren für die Vertrauenswürdigkeit redaktioneller Methoden und Verfahren journalistischer Angebote entwickelt und fördert und belohnt deren Einhaltung.
Die Zusammenarbeit mit der grössten Plattform zur Projektfinanzierung soll die Initiative auch für kleinere Redaktionen und unabhängige Medienschaffende attraktiv machen. «Professionelle journalistische Standards einzuhalten und dadurch vertrauenswürdige Inhalte zu garantieren, ist kein Privileg grosser Medienhäuser, sondern eine Herausforderung, der sich alle stellen sollten», sagt RSF-Geschäftsführer Christian Mihr.
Tina Dingel, Geschäftsführerin von Steady, ergänzt: «Viele Medienschaffende nutzen Steady, um ihre journalistischen Angebote zu veröffentlichen oder zu monetarisieren, darunter die Teams von Krautreporter, Übermedien, Volksverpetzer.» Ebenso dabei sind engagierte Autorinnen und Autoren wie Peter Wittkamp oder Sibylle Berg.
Die JTI wurde von Reporter ohne Grenzen initiiert, mit Unterstützung der European Broadcasting Union und der Nachrichtenagentur Agence France Presse (AFP). Unter der Schirmherrschaft des Europäischen Komitees für Normung (CEN) hat eine Gruppe internationaler Expertinnen und Experten den Standard entwickelt und im Dezember 2019 veröffentlicht.
Inzwischen implementieren mehr als 600 Medienunternehmen den Standard. Fast 100 haben einen öffentlich zugänglichen Transparenzbericht veröffentlicht. 16 Medienanbieter haben sogar ein externes Audit durchlaufen und das offizielle JTI-Zertifikat erhalten, darunter die reichweitenstarken United-Internet-Portale GMX News und Web.de News, der französische öffentlich-rechtliche Fernsehsender France Télévisions und die Schweizer Nachrichtenplattform swissinfo.ch.
Seit 2021 können sich Medien mit der dazugehörigen App unabhängig zertifizieren lassen.
Steady wurde im Jahr 2016 von Sebastian Esser, Philipp Schwörbel, Dirk Holzapfel, Manuel Kallenbach und Gabriel Yoran gegründet und wird von Tina Dingel geleitet. Das Unternehmen entstand, um die Medienlandschaft diverser zu gestalten und Medienschaffende dazu zu befähigen, sich unabhängig und mit einer eigenen Community zu finanzieren. Das funktioniert über kostenpflichtige Mitgliedschaften, mit denen Fans ihre Lieblingsprojekte unterstützen können.
Heute gilt Steady als grösste Membership-Plattform aus Europa, zählt 34 Mitarbeitende, 200’000 zahlende Mitglieder und 1700 Creators.
2019 wurde Steady neben dem «The Guardian» mit dem European Digital Media Award in der Kategorie «Best Paid Content Strategy» ausgezeichnet.