«Die oft beschworene neue Vielfalt im Netz erweist sich als Scheinvielfalt»: Zu diesem Schluss sind die Autoren des Jahrbuches «Qualität der Medien» gelangt. Neuen digitalen Angeboten fehlt demnach nicht nur die Reichweite - auch journalistische Qualitätsstandards werden häufig nicht erfüllt.
Den Online-Lesermarkt kontrollieren weiterhin die etablierten Medienhäuser. In der Deutschschweiz decken Tamedia (35 Prozent), Ringier (23 Prozent) und die SRG (13 Prozent) zusammen 71 Prozent des Online-Marktes ab.
In der Suisse romande teilen sich ebenfalls Tamedia (62 Prozent) und die SRG (14 Prozent) zusammen mit der Swisscom (12 Prozent) die Marktanteile und decken damit sogar 88 Prozent ab, genauso wie die drei grössten Player in der Svizzera italiana - Tamedia, Corriere del Ticino und die SRG.
Die Vielfalt im Onlinemarkt «in Bezug auf einigermassen reichweitenstarke Informationsangebote» sei sogar geringer als im Pressemarkt, zeigt das Jahrbuch «Qualität der Medien 2017» auf. Diejenigen Medienhäuser, die bereits im Presse- oder Rundfunkmarkt eine dominanten Stellung haben, kontrollieren auch die Onlineangebote.
«Neue professionelle Anbieter in Form von Medien-Start-ups, die primär auf den Online-Kanal setzen, sind in der Schweiz vor allem Kleinunternehmen in regionalen und lokalen Nischen mit relativ geringer Nutzung geblieben», schreiben die Analysten vom Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich (fög).
Die digitalen Angebote, die im Schatten der dominierenden Newssites entstehen, würden nur in wenigen Fällen ein «qualitätsorientiertes Profil» aufweisen, so etwa infosperber.ch, tsri.ch oder zentralplus.ch, die als positive Beispiele genannt werden.
Von diesen neuen Plattformen unterscheiden die Autoren des Jahrbuches «alternative» und auch «pseudojournalistische» Angebote, die nur bedingt journalistische Qualitätsregeln einhalten, sich in unmittelbarer Opposition zu etablierten Medien positionieren und «teilweise Verschwörungstheorien verbreiten».
Viel Traffic dieser «alternativen Medien» stamme zudem nicht aus der Schweiz, sondern aus Deutschland oder teilweise aus Österreich: So hat uncut-news.ch zwar monatlich etwas mehr als 90 000 Unique Visits, jedoch kommen nur 18 Prozent der Besuche aus der Schweiz. Bei legitim.ch oder expresszeitung.com kommen 14 Prozent beziehungsweise 13 Prozent des Traffics aus der Schweiz.
«Umstrittene alternative Medien versuchen offensichtlich, einen grösseren Publikumsmarkt zu erreichen, indem sie grenzüberschreitend im DACH-Raum operieren und daher in ihren Angeboten weniger auf Schweiz-spezifische Themen, sondern vorwiegend auf international anschlussfähige Themen setzen», wird im Jahrbuch weiter analysiert.
Daraus schliesst das Forschungsinstitut, dass «professioneller» Journalismus so wichtig sei wie noch nie zuvor. Die Vorstellung einer «unbegrenzten Netzöffentlichkeit, die eine neue Vielfalt an relevanten Informationsmedien hervorbringt», sei ein Trugschluss.