Die Informationsmedien von Presse, Radio, Fernsehen und Onlinebereich verzeichneten unter dem Druck krisenhafter Ereignisse im Jahr 2011 mehr Hardnews als im Vorjahr. Gleichzeitig habe der Aktualitätsdruck dazu geführt, dass 2011 weniger Hintergründe vermittelt worden seien. Das ist das zentrale Ergebnis des dritten Jahrbuchs «Qualität der Medien», welches am Freitag vom Zürcher Soziologen Kurt Imhof vorgestellt wurde. Zum dritten Mal hat der fög - Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich - die Versorgung der Schweiz durch Informationsmedien, ihre Qualität, ihre Nutzung und ihre Einnahmen untersucht.
Im Vergleich aller Medientypen sinkt gegenüber dem Vorjahr bei den Abonnementszeitungen der Anteil der einordnenden Berichterstattung am stärksten, haben die Forscher festgestellt. Die Kernkompetenz der Abonnementszeitungen, Kontextwissen zu vermitteln, sei 2011 an Ressourcengrenzen gestossen.
Ein neu implementiertes Qualitätsscoring soll es den Forschern erlauben, die publizistische Qualität der untersuchten 46 Medientitel der Gattungen Presse, Radio, TV und Online zu hierarchisieren. So haben gemäss dieser Analyse 2011 die Informationssendungen des öffentlichen Radios aus der Deutschschweiz die Qualitätsspitze gebildet, am unteren Ende der Qualitätsbandbreite platziert sind die Gratis- und Boulevardzeitungen on- und offline, die Newssites der Abonnementspresse aus der Suisse romande sowie der Privatrundfunk. Dazwischen rangieren die Sonntagszeitungen, die zwei besten Newssites und die Abonnementspresse. Einzelne regionale Abonnementstitel kommen nahe bei den Gratiszeitungen zu liegen.
In der Presse und im Rundfunk schrumpft die Abdeckungsquote der Informationsmedien gemäss der Untersuchung weiterhin, das heisst die Auflage- und Nutzungszahlen wachsen nicht parallel zur Bevölkerung oder sind sogar rückläufig. Die Nutzung der Online-Newssites nimmt demgegenüber zu. Die Gratiskultur im Internet und die beschleunigte Newsproduktion sowie die Ertragsunsicherheiten im Onlinewerbemarkt durch die wachsende mobile Nutzung wirken aber hemmend auf die Qualitätsentwicklung, so ein Fazit von Kurt Imhof und seinem Team. Online bleibe zu wenig Zeit und Personal für eine einordnende Berichterstattung. Gleichzeitig führe die Orientierung an Klickraten zu hohen Anteilen an Softnews.
Die langfristigen Nutzungsverschiebungen zwischen den Mediengattungen führen gemäss der Untersuchung dazu, dass die Schweizer Bevölkerung im Jahr 2011 mit niedrigerer publizistischer Qualität versorgt wurde als noch vor zehn Jahren: Die Forscher zeichnen das Bild einer Qualitätspyramide mit einer erodierenden Spitze, einem bröckelnden mittleren Segment und einer wesentlich breiter gewordenen Basis qualitätsniedriger Medien. Mit Blick auf die 46 inhaltlich untersuchten Medien haben demnach in der Deutschschweiz und stärker noch in der Suisse romande qualitätsniedrige Titel in den letzten Jahren an Verbreitung gewonnen.
Die sogenannt «qualitätsniedrigen Titel» vom Typ Boulevard- und Gratiszeitung sowie der ebenfalls «qualitätsniedrige» private Rundfunk erreichen in der französischen Schweiz im Jahr 2011 mit 45 Prozent den anteilmässig grössten Teil der Bevölkerung. In der Deutschschweiz decken Medientitel von «niedriger Qualität» - immer gemäss der Definition der Universität Zürich - 37 Prozent der Bevölkerung ab.
Die Finanzierung für das Jahrbuch wird durch die gemeinnützige Stiftung Öffentlichkeit und Gesellschaft eingebracht. Der Stiftungsrat setzt sich zusammen aus Ständerätin Christine Egerszegi-Obrist, «Tachles»-Chefredaktor Yves Kugelmann, Ex-Bundesratssprecher Oswald Sigg und Kurt Imhof.
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