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Mittwoch
06.08.2003

Der Medien-Wirrwarr im Irak wächst: Jeder kann heute im Irak ein paar Leute um sich sammeln und eine Zeitung herausgeben. Die Kioske biegen sich unter der Last der vielen bunten Blätter. Die Palette reicht von seriösen Produkten wie Saiers «El Sabah» und dem von Exil-Irakern herausgegebenen «Azzaman» über die arabischen Varianten der Kurden-Zeitungen «Ittihad» und «Taakhi» bis hin zu abenteuerlichen Sensationsblättern. 80 bis 100 Titel sollen es sein. Doch so genau weiss das niemand, denn viele von ihnen erscheinen unregelmässig oder gar nur einmal. Über ihr Überleben entscheiden die Leserschaft und der Markt.

Die Besatzungsmacht versucht, steuernd einzugreifen. Die Zeitung «Sabah» wurde beispielswiese mit dem Geld des Behördenorgans Iraqi Media Network (IMN) gegründet. Doch der Chefredaktor Ismail Saier legt Wert darauf, dass «wir unabhängig sind und keinen politischen Druck akzeptieren». Seine Zeitung, die derzeit eine Auflage von 50 000 Exemplaren aufweist, veröffentliche keine eigenen Kommentare, gebe aber den Beschwerden von Lesern über die misslichen Zustände im Irak breiten Raum. Das IMN betreibt auch Fernsehen und Rundfunk im Irak. Dort ist die Handschrift der Besatzer deutlicher spürbar. Diese Medien sind weitgehend Sprachrohre des US-Verwalters Paul Bremer und seiner Behörde. Die meisten Iraker kauften sich deshalb eine Satellitenschüssel, um den arabischen Nachrichtenkanal El Dschasira sehen zu können.

Die US-Verwaltung verbietet auch, aber nur im Extremfall. So ist die «Aufforderung zur Anwendung von Gewalt gegen ethnische und konfessionelle oder sonstige Gruppen oder gegen die Koalitionstruppen» untersagt. Bisher schloss die Behörde aus diesem Grund je zwei kleinere Zeitungen und Radiosender. Das Blatt «El Mustakil» («Die Unabhängige») ging so weit zu titeln: «Tod allen Spionen und Verrätern - Sie zu töten ist unsere religiöse Pflicht!» Die Redaktion wurde versiegelt, ein Büromanager festgenommen. Interessant zu beobachten wird sein, wie viel die US-Behörden an Saddam-Revisionismus zulassen. Nach der Tötung Udais und seines Bruders Kusai bei der Erstürmung ihres Verstecks vor zwei Wochen schrieb das eher bedeutungslose Blatt «El Assuar» («Schutzschirme»): «Die beiden Söhne hatten nur schlechte Eigenschaften. ... Dennoch fielen sie als Märtyrer, weil sie von der Hand der ungläubigen Amerikaner gefallen sind.» Von Konsequenzen ist bislang nichts bekannt.

Doch viele Journalisten und Redaktoren lassen noch Vorsicht walten und scheinen die Grenzen der neu gewonnenen Freiheit erst ausloten zu wollen. Problematisch erscheint die Rolle des IMN. Zum einen betreibt es Fernsehen und Rundfunk, zum anderen wird es demnächst über die Vergabe der terrestrischen Funkfrequenzen an private Anbieter entscheiden. «Die Ziele des IMN sind zu klären», konstatierte deshalb die Organisation Reporter ohne Grenzen in einem jüngsten Bericht, «denn es kann nicht länger eine hybride Organisation bleiben, die sowohl eine Mediengruppe als auch ein provisorisches Ministerium ist.»