Das Internet macht aus seinen Nutzern weder Einzelgänger noch aus der grossen Welt das erwartete globale Dorf noch verstärkt es soziale Klüfte - wie oft und gern zitiert. Irrtum. Laut den neuesten Ergebnissen einer internationalen Internet-Studie, die das europäische Medieninstitut am Mittwoch in Düsseldorf veröffentlicht hat, sind Internet-User sozial aktiver als beispielsweise TV-Junkies. Auch sei ihr Beziehungsradius durchs Internet viel grösser.
«Der Mythos von der sozialen Isolation des Surfers ist klar widerlegt», sagte der Direktor des Medieninstituts, Jo Groebel, am Mittwoch. Internet-Nutzer seien sozial wesentlich aktiver als TV-Gucker und reduzierten obendrein ihren Fernsehkonsum. Für die Studie wurden in den vergangenen drei Jahren 30 000 Menschen in 14 Ländern befragt. Die Möglichkeiten des Internets als weltweite Kommunikationsplattform sind laut Groebel jedoch überschätzt worden. «Es gibt zwar eine immense Ausweitung des persönlichen Kommunikationsraums, ein Mehr an sozialen Beziehungen, aber meist wird dieser Raum durch die jeweilige Muttersprache begrenzt.»
Nur eine Minderheit fühle sich zum Beispiel im Englischen sicher genug, um darin auch zu schreiben. Die anfänglichen Befürchtungen, der Zugang zum Internet werde soziale Abstände verstärken, habe sich nicht bestätigt. Im Gegenteil: «Dort, wo das Internet eingesetzt wird, schliessen sich eher Klüfte», meinte Groebel.
In Europa zeigt sich bei der Internet-Nutzung auch ein Nord-Süd-Gefälle. In Schweden surfen 66,1% der Bevölkerung, in Deutschland 45,9%, in Italien noch 31,2%. Auch die Liebe der Frauen zum Netz unterscheidet sich deutlich. So nutzen in Schweden fast genauso viele Frauen das Internet wie Männer. In Spanien und Italien sind dagegen nur halb so viele Frauen online wie Männer. Insgesamt seien die Internet-Unterschiede bei den Geschlechtern wesentlich geringer als einst angenommen. Weltweiter Spitzenreiter im Internet-Gebrauch sind nach wie vor die USA mit 71,1%.
Die Verlässlichkeit der Informationen im Netz wird von vielen Nutzern als hoch eingeschätzt. Zu den grössten Skeptikern zählen laut Studie die Schweden, viel Vertrauen ins Netz haben dagegen die Amerikaner. Insgesamt spielt bei der Glaubwürdigkeit die bereits von anderen Medien bekannte Güte der Quelle ein wichtige Rolle. «Traditionelle Marken wie ARD, ZDF, BBC und auch RTL sind dabei wichtig», sagte Groebel. Auch die Art der Internet-Nutzung entspreche nicht manchen Erwartungen. «Es geht mehr um Liebe als um Spiele und Shopping», schwärmte Groebel weiter.
Mittwoch
11.02.2004