Wie kann in einer digitalen Medienwelt der Jugendschutz gewährleistet werden? Was nützen im Internetzeitalter Regeln für Wahlsendungen von Radio und Fernsehen? Und wie können Public-Service-Sender weiterhin ihre Rolle wahrnehmen? Solche Fragen diskutierten die europäischen Medienregulierer an einer Tagung der European Platform of Regulatory Authorities (EPRA) in Krakau. Für den Klein Report berichtet der emeritierte Medienprofessor und Publizist Roger Blum, dessen Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) ebenso Mitglied der EPRA ist wie das Bundesamt für Kommunikation (Bakom).
Im Rahmen der EPRA versammeln sich zwei Mal jährlich die Medienregulierungsbehörden aus 45 europäischen Ländern, unter ihnen auch Armenien, Georgien, Aserbeidschan, die Türkei und Israel. Die Schweiz ist eines der wenigen Länder, in dem sich nicht nur eine Behörde mit den audiovisuellen Medien befasst, sondern zwei: das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) und die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI).
In Belgien und Spanien gibt es jeweils sogar drei Behörden - je eine für jede Sprachregion in Belgien, eine nationale und je eine für Katalonien und Andalusien in Spanien. In Israel wurden die zwei Institutionen - zuständig für terrestrisches Radio und Fernsehen die eine, für Kabel- und Satellitenfernsehen die andere - jetzt zusammengeführt. Deutschland ist durch die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten vertreten, weist aber im Grunde 14 Behörden auf, zählt man die Landesmedienanstalten einzeln.
An der Tagung in Krakau zeigte sich, dass vor allem das Internet den Regulierern Knacknüsse aufgibt. Erstmals ging es auch um politische Kommunikation. Alle Länder kennen Regeln für die Information durch Radio und Fernsehen vor Wahlen (und Volksabstimmungen). Überall wird darauf geachtet, dass die Parteien gleichwertigen Zugang zu den Sendern erhalten, bezahlte politische Werbung ist nur in einem Teil der Länder möglich (in der Schweiz ist sie verboten).
Die politische Information im Internet ist indes weitgehend unreguliert - ausser in Belgien und Rumänien (und wohl bald auch in Litauen, Bulgarien, Serbien und Norwegen). Unterschiedlich reguliert sind auch politische Meinungsumfragen: Ein Teil der Länder verbietet ihre Publikation unmittelbar vor den Wahlen - wobei «unmittelbar» je nach Land 24 Stunden bis 15 Tage bedeuten kann.
Vieles kann unterlaufen werden - einerseits durch das Internet, anderseits durch von aussen einstrahlende oder im Prinzip «unpolitische» Fernsehkanäle. Simona Martorelli von der RAI zeigte, wie der italienische Public-Service-Sender sorgfältig auf Gleichbehandlung der Parteien achtet. Mirella Marchese vom Osservatorio di Pavia erläuterte die in 20 Jahren erprobte sozialwissenschaftliche Messmethode der Parteiauftritte vor Wahlen. Sie betonte, dass immer auch die Ereignisagenda einbezogen wird und somit die Auftritte in den Kontext gestellt werden. Jürgen Brautmeier, Präsident der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten in Deutschland, machte darauf aufmerksam, dass junge Leute politische Information ganz anders konsumieren als ältere: So nutzten sie in Deutschland eher nicht die ZDF-Nachrichtensendung «Heute», sondern die satirischen «Heute News» auf dem gleichen Sender.
Ähnliche Kontraste und Widersprüche findet man beim Jugendschutz. Françoise Laborde vom Conseil Supérieur de l`Audiovisuel Frankreichs wies darauf hin, dass für Jugendliche bestimmte Videos voller Gewalt, die auf Youtube zu finden sind, im Fernsehen verboten wären. Tanja Kersevan Smokvina von der Regulierungsbehörde Sloweniens unterstrich, dass stets der Kontext mitbetrachtet werden muss, wenn es um Jugendschutz geht, beispielsweise, ob es sich um einen fiktionalen oder nicht-fiktionalen Beitrag handle. Die Jugendlichen seien sehr wohl fähig, fiktionale Beiträge richtig einzuordnen. Sie wie auch Johanna Fell von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien forderten mehr Medienerziehung. Adam Kinsley von Sky und Monica Placidi von Telecom Italia erläuterten, was sie vorkehren, damit Eltern selbstregulierend zum Jugendschutz beitragen.
Dass die Public-Service-Sender in der digitalen Welt ihre Aufgaben erweitern müssen, um weiterhin qualitativ hochstehenden Inhalt liefern zu können, war unbestritten. Wie Susanne Nikoltchev vom European Audiovisual Observatory in Strassburg darlegte, zeigt sich aber, dass die Länder ganz unterschiedliche Schritt-für-Schritt- und Fall-zu-Fall-Lösungen treffen. Daniel Wilson gab einen Einblick in die Strategie der BBC, die die jeweiligen Zielgruppen dort abholen will, wo sie sich gerade befinden, ob am iPad, iPhone, Laptop oder Fernseher.