Auf den ersten Blick glaubt man bei der Broschüre über den Kanton Zürich, die verschiedene Zürcher Gemeinden Ende Mai zugeschickt erhielten, man halte eine offizielle Publikation in den Händen: Das Cover ziert eine Aufnahme des Zürichsees, darunter prangt ein Logo mit dem Schweizer Kreuz; in der rechten unteren Ecke ist das Wappen vom Kanton Zürich angebracht.
Auf knapp 200 Seiten wartet die Hochglanzbroschüre mit Informationen zum Kanton auf, wobei jede einzelne Zürcher Gemeinde einzeln aufgeführt wird. Dazwischen finden sich jede Menge Inserate. So weit, so gut. Wie Recherchen des freien Autors Martin Mullis nahelegen, wurden die Inserate jedoch zu einem Grossteil mit unlauteren Methoden erschlichen. Mullis hat über die dubiose Informationsbroschüre Ende Mai einen Artikel im «Anzeiger aus dem Bezirk Affoltern» verfasst und dafür mit verschiedenen betroffenen Firmen gesprochen. Seine Nachforschungen haben ergeben: Während einige der Inserenten mit falschen Erklärungen geködert wurden, flatterte anderen direkt eine Rechnung über 2000 Franken für ein angeblich in Auftrag gegebenes Inserat ins Haus.
Er wisse zwar von niemandem, der den Forderungen tatsächlich nachgekommen sei, sagte Mullis gegenüber dem Klein Report am Freitag. Aber es sei davon auszugehen, dass sich nicht wenige Firmen von den «mit rüden Formulierungen gespickten Mahnungen» beeindrucken liessen.
Auf die Geschichte aufmerksam wurde Mullis durch den Gemeindepräsidenten von Affoltern, der die Broschüre gleich in 40-facher Ausführung erhalten hat, und dem die Sache nicht ganz sauber erschien. Auch andere Zürcher Gemeinden, etwa die Gemeinde Lindau bei Effretikon, erhielten Ende Mai Dutzende Exemplare zugesandt. Die Lindauer wurden stutzig und erkundigten sich hernach bei den kantonalen Behörden: Es sei doch erst Anfang Mai eine neue offizielle Publikation über den Kanton Zürich erschienen. Man habe seltsamerweise schon wieder eine Informationsbroschüre erhalten.
Da sich die Anfragen vonseiten verschiedener Gemeinden häuften, sah sich der Kanton Zürich am Donnerstag veranlasst, in einem Schreiben an alle Zürcher Gemeinden ein für alle Mal klarzustellen, dass es sich bei «diesem Produkt in keiner Weise um eine offizielle Publikation des Kantons handelt».
Wie Heinz Grütter von der Kommunikationsabteilung des Zürcher Regierungsrates gegenüber dem Klein Report sagte, erwägt der Kanton Zürich sogar rechtliche Schritte gegen die Herausgeber. Da man allerdings nur wisse, dass es sich um eine Firma namens Incom Solutions Ltd. mit Sitz in London handle, sei es äusserst schwierig, die Ursacher dingfest zu machen und zu belangen. «Zudem ist unklar», führte Grütter weiter aus, «was wir konkret einklagen können. Schliesslich wurde nur das Kantonswappen, nicht aber das Logo des Kantons Zürich verwendet».
Auch Journalist Martin Mullis bestätigte im Gespräch mit dem Klein Report, dass man die Herausgeber wohl kaum identifizieren könne: «Vermutlich versteckt sich dahinter ein Geflecht von Briefkastenfirmen mit fiktiven Firmensitzen.» Vertreten wird die Firma in der Schweiz durch Janos P. Seitzinger.
Sonntag
13.06.2010



