Im öffentlichen Verkehr zu reisen ist für Menschen mit Behinderung nicht immer einfach: Mitunter muss der Rollstuhlfahrer seinen Platz im überfüllten Tram regelrecht erstreiten oder der blinden Frau macht niemand einen Sitzplatz frei.
Das möchten die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) ändern. Am Dienstagsmorgen haben sie zu einem Medienanlass am Bahnhof Zürich-Altstetten eingeladen und stellten während einer Rundfahrt das «Inklusionstram» vor. Für den Klein Report ist Redaktorin Christine Huber mitgefahren.
Mit diesem Tram möchten die VBZ das Verständnis und die Rücksichtnahme zwischen Menschen mit Behinderung und Menschen ohne Behinderung fördern.
Im Rahmen der nationalen Aktionstage Behindertenrechte, die vom 15. Mai bis 15. Juni 2024 stattfinden, haben die VBZ unter dem Motto «Rücksicht auf der ganzen Linie» zusammen mit Organisationen aus dem Behindertenbereich gemeinsam das «Inklusionstram» gestaltet.
Dieses soll ab Dienstag bis Ende November 2024 auf dem VBZ-Netz zirkulieren und ÖV-Reisende für die Themen «inklusiver ÖV», «gegenseitiges Verständnis» und «Rücksichtnahme» sensibilisieren.
Bereits von aussen macht das «Inklusionstram» mit Botschaften wie «Inklusion fährt mit», «Rücksicht nehmen» oder «Verständnis zeigen» auf den Seitenkanten aufmerksam. Beim Einsteigen fallen einem die Mitteilungen von am Projekt beteiligten Behinderten-Organisationen auf Fensterfolien, Hängekartons und Bodenklebern auf.
«Der ÖV kann für Menschen mit Autismus eine grosse Herausforderung sein. Sie reagieren empfindlich auf Einflüsse wie Gedränge, Lärm und Licht», heisst es beispielsweise auf einer Folie von Autismus Schweiz. Darauf wird auf die Bedürfnisse autistischer Fahrgäste aufmerksam gemacht.
Mit einem QR-Code kann der Fahrgast zu jedem Plakat noch weitere Informationen über die jeweilige Behinderung erfahren und nachlesen, welche Auswirkungen sie für Betroffene im öffentlichen Verkehr hat.
An der Rundfahrt des Flexity-Trams anwesend waren Michael Baumer (Stadtrat und Vorsteher des Departements der Industriellen Betriebe), Joe Manser (Präsident der Trägerstiftung «Hindernisfreie Architektur» und ehemaliger SP-Gemeinderat) und VBZ-Direktor Marco Lüthi.
«Der hindernisfreie öffentliche Verkehr ist ein grosses Ziel. Wir setzen uns ein für Fahrzeuge mit ebenerdigem Einstieg sowie Fahrgastinformationssysteme, die auch den Bedürfnissen von Fahrgästen mit Seh- und Hörbehinderung entsprechen», sagte Michael Baumer während der Rundfahrt.
Und Joe Manser setzt sich bereits seit 1981, dem internationalen Jahr der Behinderten, für Hindernisfreiheit ein. Er sprach darüber, was sich seit jenem Jahr alles in diesem Bereich verändert hat. Manser sagte, dass es neben den Niederflurfahrzeugen auch die hohe Haltekante brauchen würde.
«Bei der Tramflotte dauert es noch rund zwei Jahre, bis alle hochflurigen Trams 2000 ausgemustert sein werden», versprach Marco Lüthi auf der Rundfahrt durch die Stadt Zürich.
Auf die Nachfrage des Klein Reports, wie die verschiedenen Botschaften des «Inklusionstrams» in der breiten Bevölkerung ankommen und ob ein genereller Verhaltenswechsel bei den Fahrgästen damit erzielt werden kann, ergänzte der VBZ-Direktor, dass die VBZ bereits seit dem Jahr 2000 mit den Behindertenverbänden in der Kommission «Hindernisfreie Mobilität» zusammenarbeiten.
Das «Inklusionstram» verkehre bis Ende November auf dem gesamten ÖV-Netz der Stadt Zürich und zusätzlich werde die Präsenz auf Social Media verstärkt, so Lüthi weiter. Er erwähnte zudem, dass vor zwei Jahren im Trammuseum der Stadt Zürich bereits ein Medienanlass zum Thema Inklusion stattfand.
Was dem Klein Report beim Anlass, bei dem die Zahl der ÖV- und Inklusion-Sachkundigen jene der Medienschaffenden deutlich übertroffen hat, auch aufgefallen ist: Eine Medienmappe wurde vor Ort nicht abgegeben.
Auch eine Rundfahrt nimmt einmal ein Ende: Nach fünfzig Minuten gab noch einen Apéro für alle.