Aussenminister Ignazio Cassis ist derzeit der wohl meistbeschäftigte Politiker der Schweiz.
Die endlose Debatte um die EU-Verträge auf der einen Seite, die diversen internationalen Brandherde auf der anderen. Der Mann müsste sich zweiteilen oder sofort vermehren. Und noch immer würde er es nur wenigen recht machen.
So gross die Kritik am Tessiner auch ist, so klar war der Punktesieg, den er an einer Medienkonferenz zu den EU-Verträgen feiern konnte – und dies ausgerechnet gegen einen sehr unangenehmen Gegner: alt Nationalrat und «Weltwoche»-Chef Roger Köppel.
Der Zürcher versuchte, Cassis mit provokativen Fragen zur Dynamik der EU-Verträge in die Falle zu locken. Er stellte das Szenario dar, dass die Schweiz gezwungen werde, EU-Recht zu übernehmen und bei Verweigerung bestraft werde. Er malte das SVP-Horrorszenario der «fremden Richter» an die imaginäre Wand.
Doch Cassis konterte ruhig und sachlich: Die Schweiz handle freiwillig, und wie bei jedem Vertrag gebe es Konsequenzen bei Vertragsbruch – das sei internationaler Standard.
Cassis blieb nicht nur gelassen, sondern nutzte Köppels Angriffe geschickt, um seine eigene Sachkompetenz zu demonstrieren. Dies schreibt die «SonntagsZeitung» durchaus genüsslich. In einer spontanen «Kurzvorlesung» erklärte der Bundesrat Köppel Prinzipien internationaler Verträge, die Rolle von Souveränität und die Funktionsweise von Sanktionen – und liess den sonst so dominanten Journalisten dabei blass wirken.
Weniger geschmeidig läuft es für Cassis derzeit aber in der eigenen Verwaltung. Vor zwei Wochen enthüllte «SonntagsBlick», dass sich über 250 EDA-Mitarbeitende in einem Brief an den Bundesrat gewandt und gefordert hätten, von ihm eine klare Haltung im Nahostkonflikt zu spüren. Die Angestellten sorgen sich um den humanitären Ruf der Schweiz.
Doch Cassis scheint sich in dieser Causa wegzuducken. Auf den Brief hat er noch nicht geantwortet, dafür wurde die Personalabteilung aktiv und rief die Unterzeichner an. «Das Vorgehen wird als Einschüchterungsversuch gewertet», sagt ein Insider. «Es herrscht ein Klima der Angst.»
Das EDA teilt derweil mit: «Der Brief enthielt einige Elemente, die an der Korrektheit des Briefes zweifeln liessen.» Er sei in einem Couvert ohne Absender verschickt worden, enthalte Rechtschreibefehler und «lediglich Namen, aber keine Unterschriften». Toni Frisch, Ex-Delegierter des Bundesrats für Humanitäre Hilfe, hat gemäss CH Media die Geschäftsprüfungskommission um eine Untersuchung gebeten. «So kann es nicht weitergehen», sagt Frisch, der die Kritik der EDA-Mitarbeitenden inhaltlich teilt.
Fazit des Klein Reports zu Cassis’ Arbeitswoche: Die im verbalen Nahkampf mit Roger Köppel bewiesene Leichtigkeit wäre nun auch hausintern gefragt. Sonst könnte sich die gewonnene Glaubwürdigkeit schnell wieder verflüchtigen.