Ein Bericht auf watson.ch warf einer Müttergruppe auf Facebook vor, ihre Mitglieder unter starken psychischen Druck zu setzen. Für den Presserat kamen die Beschuldigten tatsächlich zu wenig zu Wort. Doch sei «Psychoterror» kein schwerer Vorwurf.
«Wie sich Mütter auf Facebook in den Still-Wahnsinn treiben» titelte Nadja Brenneisen am 6. Februar 2018 eine Story auf watson.ch. Sie handelte von einer Facebook-Gruppe, die «radikales Stillen» propagiere und damit junge Mütter verunsichere.
Eine Mutter erzählt in dem Watson-Bericht zum Beispiel, dass sie wegen der Ratschläge der Facebook-Gruppe einen «Horror-Start in die Elternschaft» erlebt habe. Angesichts ihrer Probleme beim Stillen habe sie sich anhören müssen, jede Frau könne stillen, und sei in der Gruppe unter «enormen Druck» gesetzt worden.
Das sei ein schwerer Vorwurf, zu dem die Gruppe in dem Watson-Bericht zu wenig zu Wort gekommen sei, bemängelte eine Beschwerdeführerin gegenüber dem Schweizerischen Presserat.
In ihrer Antwort auf die Fragen der Watson-Journalistin hatte sie dazu geschrieben: «Wer in unsere Gruppe kommt, tut das freiwillig.» Es könne «niemand gezwungen werden zu stillen, schon gar nicht durch eine Facebook-Gruppe. Wenn es einem zu viel ist, darf man die Gruppe jederzeit verlassen. Wichtig ist zu wissen, dass Stillberaterinnen eine Frau auch beim Abstillen begleiten und unterstützen.»
Den Schlusssatz hat die Autorin des Watson-Berichts weggelassen. Für den Presserat ist der Satz aber «entscheidend», weil er die Aussage der anonymen Zeugin vom «enormen Druck» und dem «Horror-Start ins Elternleben», am deutlichsten infrage stellt.
Doch auch, wenn es nicht sauber war, diese Aussage rauszukippen: Der Vorwurf wiegt für den Presserat nicht genügend schwer, dass eine Anhörung der Beschuldigten dringend geboten gewesen wäre.
Schwer wiegt für den Journalistenkodex ein Vorwurf nur dann, wenn jemandem ein illegales oder damit vergleichbares Verhalten vorgeworfen wird. Watson.ch hat den Kodex in diesem und in den weiteren Beschwerdepunkten nicht verletzt.
