Content:

Montag
08.08.2011

Das Thema Nummer eins am 64. Filmfestival Locarno sind momentan nicht Filme und Stars, sondern das Wetter. Die vermeintliche Sonnenstube entpuppt sich 2011 als Nasszelle. Dass Petrus derart die Schleusen geöffnet hat bis zum Sonntag im Ferienmonat August, gibt zu denken. Vielleicht wollte er auf seine Weise all das Blut, das auf der Leinwand floss, wegwischen und die Monster wegspülen. Mag sein, dass der Blick der Festivalveranstalter auch getrübt war angesichts des Staraufgebots und etwas mehr Klarsicht geboten wäre. Der wasserfeste Rolf Breiner, Filmexperte des Klein Reports, berichtet vom Filmfestival.

Die Boulevardpresse bejubelte die Hollywood-Stars à la Bond-Akteur Daniel Craig und «Indiana Jones» Harrison Ford, der sich über einen Leoparden für sein Lebenswerk (Lifetime Achievement Award) freuen durfte. Für die People-Reporter ein gefundenes Fressen. Das Action-Spektakel zwischen Westernhelden (inklusive Indianern) und ausserirdischen Monstern gipfelte in den Blickduellen zwischen dem alieninfizierten Revolverhelden Craig und dem rauen Rancher Ford. Das krachende Epos «Cowboys & Aliens», in dem haufenweise Westernklischees verwurstet werden, kommt Ende August in die Kinos. Donnernde Hollywood-Unterhaltung eben, die auf der Piazza Grande geboten wurde.

Tausende Besucher hatten am Samstag auf der Piazza Grande bei strömendem Regen ausgeharrt, während die Prominenz die trockenen Plätze in der Fevi ausgesucht hatte - ohne Starpräsenz. Am Abend zuvor war das anders. Regisseur Abel Ferrara, der am Nachmittag auf der grossen Bühne geprobt hatte, liess es sich nicht nehmen, abends auf der Piazza mit zwei Musikern eine Song-Performance zu bieten. Er grummelte und krächzte zwar wie Mick Jagger mit Halsweh, amüsierte aber selbst das Publikum in der Fevi, das eine Aufzeichnung sah und Ferrara bei seinem Auftritt beklatschte. Der «Blick» witterte einen betrunkenen Ehrenleoparden-Preisträger. Er schien dem Klein-Report-Beobachter eher high und hipp von der eigenen Musik und Ehrung.

Selbst von einem Tonausfall - ob Zufall oder Absicht - liess sich Ferrara nicht stören. Einen Film hatte er nicht mitgebracht, nur einen etwa fünfminütigen Ausschnitt aus seinem neuesten Werk mit Willem Dafoe, das in Venedig aufgeführt werden soll. Die ersten Piazza-Abende in Locarno waren von Nässe und Horror geprägt - bis zur düsteren Aliens-Schlacht «Attack the Block» und zum cool inszenierten und gespielten Thriller «Drive» von Nicolas Winding Refn («Pusher») - brillant, aber brutal, und mit einem exzellenten Ryan Gosling als Driver. Hollywood-Kino hat sich in Locarno wieder breitgemacht - dröhnend, aufwendig, monströs und brutal. Weniger wäre hier mehr.