Eigentlich sollte man dieser Tage der Hitze entfliehen, das kühle Nass aufsuchen und sich vor allem entspannen. Ganz im Gegensatz dazu erhitzen sich derzeit in der Medienszene des grossen Kantons die Gemüter immer stärker. Während die Internet-Aktivitäten des Schweizer Fernsehens auch hierzulande immer wieder für Diskussionen sorgen, vor allem deren hemmungslose Bewerbung auch in redaktionellen SRG-Gefässen, eskalierte dieses Thema diese Woche in Deutschland.
Am Dienstag verkündete die ARD, dass alle ihre Online-Angebote nach interner Prüfung grünes Licht erhalten hätten - untermauert von einem Gutachten des Ex-Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, höchst persönlich: Laut diesem Dokument sind die journalistischen Angebote im Internet verfassungsrechtlich als Rundfunk zu definieren, was der ARD, die ja Rundfunk als ihre Kernaufgabe versteht, künftig viel Freiraum für Internetaktivitäten bieten dürfte.
Dies liess die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ) nicht auf sich sitzen. Sie druckte tags darauf auf der Frontseite einen bitterbösen Kommentar mit dem Titel «Bestellte Wahrheiten» ab: «Plagten sich die Anstalten bislang wenigstens pro forma mit der im Rundfunkstaatsvertrag vage formulierten Auflage, ihre Angebote sollten nicht `presseähnlich` sein, sind sie nach der Vorstellung des Papiers nun aller Rechtfertigungszwänge ledig.» Weiter unten im Kommentar heisst es dann gar: «Es verkündet nichts anderes als einen totalen Machtanspruch, das Ende der freien Presse und die Herrschaft des Staatsjournalismus».
Doch damit nicht genug. Noch am selben Tag veröffentlichte der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust, Intendant des Südwestrundfunks, einen offenen Brief an FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher, mit scharfen Tönen. Gegen die Darstellung «Herrschaft des Staatsjournalismus» verwahre er sich im Namen der ARD entschieden. «Dies ist geschichtsvergessen und masslos. Es macht mich sprachlos, dass Sie dies in einer Qualitätszeitung wie der FAZ zulassen.» Und weiter: «Von einem `Ende der freien Presse` und einem totalen Machtanspruch der öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland zu sprechen, nur weil ein unabhängiges Gutachten des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Hans-Jürgen Papier, nicht den Interessen der Verlage zu entsprechen scheint, ist völlig unverhältnismässig und einer seriösen Zeitung unwürdig.»
Es bleibt den Hitzköpfen zu wünschen, sie mögen sich mit der aufs Wochenende aufziehenden Gewitterfront wieder etwas beruhigen. Brisant bleibt das Thema dennoch. Inwiefern die halbstaatlichen Medienunternehmen im Gärtchen der privaten Medienanbieter künftig grasen sollen, muss sowohl hüben wie auch drüben noch ausgefochten werden. Denn hier geht es nicht um irgendein «Geschäftsmodell», fügen wir vom Klein Report an, sondern um die zukünftige Finanzierbarkeit der vierten, der publikativen Gewalt.
Freitag
23.07.2010




