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Mittwoch
03.08.2022

Medien / Publizistik

Das Buchcover zum Original und die graue Sachlichkeit für die kommentierte Neuauflage des Münchner Instituts für Zeitgeschichte...

Das Buchcover zum Original und die graue Sachlichkeit für die kommentierte Neuauflage des Münchner Instituts für Zeitgeschichte...

Eine alte «Wochenschau» von 1945 zeigt, wie ein amerikanischer Soldat den Bleisatz von «Mein Kampf» in einem symbolischen Akt ins Feuer gibt. Aus dessen Schmelze wurden am 6. Oktober 1945 die ersten Druckplatten der «Süddeutschen Zeitung» gegossen.

Es war das vorläufige Ende für «das schrecklichste Buch, das je auf Deutsch geschrieben wurde». Geschrieben hat Adolf Hitler 1924 den ersten Teil seines Werks während seiner Festungshaft in der Haftanstalt Landsberg in Landsberg am Lech. Er soll den Text seinem späteren Stellvertreter Rudolf Hess diktiert haben. Neuere Erkenntnisse weisen darauf hin, dass Hitler den Text selbst auf einer Reiseschreibmaschine tippte.

Mehr als zwölf Millionen Mal wurde Adolf Hitlers Propagandaschrift bis 1945 gedruckt und unters Volk gebracht. Seither war jegliche Neuauflage untersagt. Zwischen 1934 und 1944 erschienen unzählige Übersetzungen, auch in Russisch und Chinesisch. Später sogar Hebräisch.

«Mein Kampf» ist für die einen ein Tabu, für andere ein Faszinosum, in Deutschland nach Kriegsende zuerst verboten, in anderen Ländern bis heute ein Bestseller.

Die Urheberrechte endeten mit dem 31. Dezember 2015, nach Ablauf der Regelschutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod Hitlers.

Bereits am 8. Januar 2016 stellte das Münchener Institut für Zeitgeschichte seine in drei Jahren erarbeitete kommentierte Ausgabe vor. Diese fand grosse internationale Beachtung.

Die beiden Bände wiegen zusammen etwa sechs Kilogramm und enthalten rund 3’500 Anmerkungen. Die kommentierte Fassung erschien mit einer Erstauflage von 4’000 Stück.

Ab Mitte Januar 2018 war die kommentierte Neuausgabe auf der wöchentlich erscheinenden «Spiegel»-Bestsellerliste «Sachbücher» zu finden und schaffte es hierbei schon vierzehnmal unter die Top-10, davon zweimal auf den 1. Platz.

Seit Juli 2022 ist Hitlers «Mein Kampf» als eine «kritische Edition des Instituts für Zeitgeschichte» auch online verfügbar. Kostenlos.

Im Vorwort schreibt Andreas Wirsching, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte: «Mit der Edition erfüllte das Institut eine doppelte Aufgabe: Zum einen machte es ‘Mein Kampf’ als unentbehrliche Quelle zur Geschichte Hitlers und des Nationalsozialismus erstmals in Form einer kritisch erschlossenen und kommentierten Gesamtausgabe der Öffentlichkeit zugänglich. Zum anderen galt es der Gefahr entgegenzutreten, dass Hitlers Machwerk unkommentiert und gemeinfrei vagabundierte.»

Die zuvor häufig geäusserte Befürchtung, Hitlers rassistisches Konvolut könne aktuellen rechtsradikalen Tendenzen Auftrieb geben, habe sich seit der Printausgabe 2016 als unbegründet erwiesen, glaubt Wirsching. «Die Erstellung des wissenschaftlich seriösen und öffentlich sichtbaren Referenzwerks, auf das sich von Beginn an die Aufmerksamkeit richtete, hat entsprechende Initiativen gar nicht erst aufkommen lassen.»

Das Institut leiste mit der jetzt gratis verfügbaren Neuauflage im Netz «politisch-historische Aufklärung im besten Sinne».

«As Time Goes By», hat Sam bereits damals 1942 an seinem Flügel für Ingrid Bergman und Humphrey Bogart in der Kriegsromanze «Casablanca» gesungen.