Gut vier Jahre nach dem Start geht higgs.ch wieder vom Netz.
Der Klein Report sprach mit Gründer und Chefredaktor Beat Glogger über die Finanzierung von Digital-Journalismus, über den Corona-Hype und die mangelnde «Mithilfe» der Hochschulen und Akademien in der Schweiz.
Knapp viereinhalb Jahre haben Sie digitalen Wissenschaftsjournalismus betrieben. Was ist Ihre ganz persönliche Bilanz?
Beat Glogger: «Die Bilanz ist durchzogen. Auf der Seite des Inhalts und der Form sind wir sehr zufrieden. Wir haben unser Publikum gefunden und fanden Anerkennung im In- und Ausland. Die Bilanz auf der finanziellen Seite ist leider negativ. Es ist nicht gelungen, genügend Stakeholder zusammenzubringen, die bereit waren, den Kanal mitzufinanzieren. Auch die Bereitschaft zu zahlen aufseiten der Leserschaft blieb zu gering.»
Was gab schlussendlich den Ausschlag für den Entscheid, den Stecker von higgs.ch zu ziehen?
Glogger: «Wie gesagt, es sind rein wirtschaftliche Gründe. Es sind einige wichtige Unterstützer und Sponsoren abgesprungen, die Verkaufszahlen bei den Abonnements blieben weit unter den Erwartungen. Und die Ablehnung des Mediengesetzes gibt leider keine Perspektive auf Besserung.»
Das Anfang 2018 gegründete Wissenschaftsmagazin erlebte durch Corona einen starken Aufschwung. Wieso gelang es trotzdem nicht, das Portal auf sichere Füsse zu stellen?
Beat Glogger: «Tatsächlich hatten wir letzten Herbst noch über 108,000 Unique Clients pro Monat und waren damit das am stärksten wachsende ergänzende Medium der Schweiz. Mit dem Abflachen der Pandemie ist, wie bei allen Medien, das Interesse aber wieder gesunken. Zudem hat sich gezeigt, dass die Leute, die unsere Informationen gerne lasen, nicht bereit sind, dafür auch zu bezahlen. Eine Folge der Gratis-Kultur im Internet.»
Aus welchen Gründen zogen sich Stiftungen und Sponsoren als Geldgeber zurück? Und wieso wurde das Abo-System erst im letzten Oktober lanciert?
Glogger: «Prinzipiell wollen Stiftungen Projekte anschieben und sich dann wieder zurückziehen. Das ist normal. Aber es ist uns nicht gelungen, die entstehenden Lücken mit anderen Geldgebern zu füllen. Wenn ein Sponsor aus der Wirtschaft seine Sponsoring-Strategie ändert, können wir das nicht beeinflussen. Dasselbe zum Beispiel mit der Stiftung Medienvielfalt. Sie will nur noch Lokaljournalismus fördern. Was für mich persönlich sehr enttäuschend ist: Auch die akademische Gemeinschaft, also Hochschulen und die Akademien, waren (bis auf kleine Ausnahmen und den Schweizerischen Nationalfonds) nicht bereit, finanziell mitzuhelfen. Dies, obschon die Akademien letztes Jahr ein umfangreiches Strategie-Papier vorgestellt haben, in dem sie exakt unser Modell als Vorbild darstellen. Konkret umgesetzt wurde die Strategie aber bisher nicht.»
Was würden Sie heute anders machen, wenn sie nochmals ein wissenschaftsjournalistisches Portal starten würden?
Beat Glogger: «Ganz klar fehlte es an Mitteln und vielleicht auch Know-how für das Marketing. Nehmen wir zwei Online-Kanäle, die es in den letzten vier Jahren geschafft haben: die ‚Republik‘ und heidi.news. Die hatten zum Start zwei beziehungsweise eine Million Startkapital, mit dem sie zuerst die Marke aufbauen und Aufmerksamkeit erregen konnten. Das hat Higgs gefehlt.»
Wieso ist die wissenschaftsjournalistische Berichterstattung wichtig?
Glogger: «Wichtig ist. Wir haben uns nie als reinen Wissenschaftskanal verstanden, sondern wir haben den Lauf der Welt aus dem Blickwinkel der Wissenschaft verfolgt. Unsere Devise lautet Faktenwissen für Politik, Gesellschaft und den Alltag. Wir haben Fake News mit Fakten bekämpft. Das bedeutet, dass Evidenz und wissenschaftliche, faktische Belege in die Entscheidungen von uns allen, der Politik, der Gesellschaft und jedes einzelnen einfliessen sollen. Wenn Schwurbeleien und unbelegbare Meinungen Überhand nehmen, gedeihen Extremismus und Spaltung.»
Was ist higgs.ch so richtig gut gelungen?
Beat Glogger: «Wir haben es gut verstanden, komplexe Inhalte auf allgemein verständliche Weise zu vermitteln, und wir haben die Relevanz wissenschaftlicher Erkenntnisse für unser aller Leben aufgezeigt. Und wir haben gezeigt, dass das Spass machen kann. Wir jedenfalls hatten Spass dabei.»