«Die Hexe und der Hass», so betitelte Lucien Scherrer in der NZZ vom 25. März sein Porträt über die Juso-Präsidentin Tamara Funiciello. Darin finden sich Zitate der engagierten Aktivistin wie: «Roman Kilchsperger? Ein sexistisches Arschloch» oder «Donald Trump? Ein rassistischer, sexistischer, oranger Trottel».
Für den Klein Report analysiert die Medienexpertin und Historikerin Regula Stämpfli, wie die Wahl des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten nicht nur den politischen Stil, sondern auch die politische Sprache weltweit verändert hat. Ihre These: Aus der «Schweigespirale» ist eine «Aufmerksamkeitsspirale» geworden.
Die schon während dem nationalsozialistischen Regime publizierende, doch erst in der deutschen Nachkriegsgeschichte bekannt gewordene Politikwissenschaftlerin Elisabeth Noelle-Neumann verfasste in den 1970er-Jahren die Theorie der Schweigespirale.
Die Schweigespirale setzt die vielfältige, kritische und auswählende Wahrnehmung der Medien ausser Kraft. Sie tut dies, indem zwar alle Mediengefässe viele Informationen liefern, aber grundsätzlich nur das Gleiche vermitteln. Menschen sind so gar nicht mehr imstande, andere Versionen der Informationswirklichkeit aufzunehmen. Dies geschieht sogar dann, wenn die Bürger und Bürgerinnen genau wissen, dass sie manipuliert werden.
Im Klartext bedeutet dies: Geredet wird nicht über das, was wichtig ist, sondern über das Geredete.
Soweit die gängige Medientheorie. Angesichts der Wahl des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten und angesichts der Vulgarisierung der politischen Kommunikation in allen Medien: «Wir werden Angela Merkel jagen» (AfD), «Sie kriegen eins auf die Fresse» (Andrea Nahles, SPD) oder «Wir werden nicht zuschauen, wie ein sexistischer, rassistischer, oranger Trottel einfach irgendwie bei uns hier ´rumtrumpelt´» (Tamara Funiciello, Juso), und angesichts der menschenverachtenden Antwort der jungen SVP darauf: «Wir werden nicht mehr länger zuschauen, wie eine fette, arrogante, kleinwüchsige, blöde Kuh irgendwo in unserem schönen Land Grundwerte wie unsere Neutralität zu verletzen sucht», muss die Theorie der Schweigespirale in eine Theorie der Aufmerksamkeitsspirale umgewandelt werden.
Die Aufmerksamkeitsspirale setzt die vielfältige, kritische und auswählende Wahrnehmung der Medien ausser Kraft, so dass die Menschen möglichst aufmerksamkeitsstark kommunizieren müssen, wollen sie überhaupt zu Wort kommen. Die Aufmerksamkeitsspirale liefert nur noch Informationen, die auffällig, laut, vulgär, daneben, ungewöhnlich, neu, krass, extrem, ironisch, lustig, bösartig etc. sind.
Normale öffentliche Kommunikation über politische und nicht-diskursive Topics fällt flach. Bürger und Bürgerinnen sind gar nicht mehr imstande, unaufgeregte Versionen der Demokratiewirklichkeit aufzunehmen. Dies passiert sogar dann, wenn die Bürger und Bürgerinnen wissen, dass sie nur mit Vulgarität, mit laut statt normal, geködert werden.
Fazit: Souverän ist, wer mittels Aufmerksamkeit die Medien beherrscht. Vulgarität ist längst schon in den Leitmedien angekommen.