Nach dem Rauswurf ihres Chefs Szabolcs Dull hat die Redaktion des ungarischen Newsportals «Index» fast in corpore gekündigt. Nun beschuldigen regierungsnahe Medien den ehemaligen Chefredaktor, das Portal selbst zerschlagen zu haben.
«Nichts davon stimmt», sagte Dull in einem Interview mit der Deutschen Welle über die Hetzkampagne, die zurzeit gegen ihn läuft. Der Vorwurf: Der Chefredaktor, dem letzte Woche überraschend gekündigt worden war, habe mithilfe von linken Politikern sein eigenes News-Portal zerschlagen wollen.
«Nicht ich bin der Henker, sondern ich bin das Opfer, das geköpft wurde», so Szabolcs Dull weiter. «Immerhin bin ich entlassen worden und habe nicht nur meinen Job, sondern auch einen bedeutenden Teil meines Lebens verloren.»
Lächerlich an der Kampagne sei, dass er mit Oppositionspolitikern vereinbart haben soll, «Index» zu zerstören. Erschreckend dagegen sei, dass das regierungsnahe Portal «Origo» eine Anrufliste seines Telefons veröffentlicht hat und sich in seiner Kampagne darauf beruft.
«Ich habe sehr viele Jahre als politischer Journalist gearbeitet, ich kenne praktisch alle Politiker Ungarns, die meisten haben meine Telefonnummer und rufen mich immer wieder an. Ich habe absolut nichts zu verheimlichen, und jeder, der dazu das Recht hat, kann meine Anrufliste einsehen. Aber dass sie widerrechtlich in einem regierungsnahen Portal erscheint und für eine Kampagne benutzt wird, ist erschreckend», so Dull gegenüber der Deutschen Welle.
Als er die Redaktion über seine Kündigung informierte, habe er sie gebeten, «Index» als «Symbol der ungarischen Pressefreiheit» zu verteidigen und weiterzuarbeiten. Doch fast alle Redaktoren und Redaktorinnen haben freiwillig gekündigt.
«Ich denke, die Redaktion hat es so empfunden, dass künftig immer mehr kleine Kompromisse geschlossen und Abstriche gemacht werden müssen», sagte der geschasste Chefredaktor. Einer der Redaktoren schrieb, man habe die Wahl zwischen einem würdigen Tod und einem stillen Ausbluten gehabt.
Die Pressefreiheit sei ein Zimmer, dessen Deckenhöhe schwankt, so Szabolcs Dull. «Wenn sie sich verringert, können einige Leute nicht mehr aufrecht stehen. Jetzt hat sich die Deckenhöhe in Ungarn verringert.»