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Montag
02.08.2010

Der diesjährige Wissenschaftspreis der Stadt Basel geht an Dr. Helena Kanyar-Becker. Ausgezeichnet wird die Historikerin, Slawistin und Kunsthistorikerin sowie ehemalige Fachreferentin der Universitätsbibliothek Basel für ihre viel beachteten Arbeiten und Ausstellungen über die schweizerische Flüchtlingspolitik und die humanitäre Schweiz.

Neben ihrer Berufstätigkeit an der Universitätsbibliothek Basel hat Kanyar-Becker durch eine Vielzahl an wissenschaftlichen Publikationen, Zeitungsartikeln, Vorträgen und Ausstellungen wichtige Themen der neueren Schweizer Geschichte sowie der Politik und Kultur Mitteleuropas aufgegriffen und einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht.

Mit hohem persönlichen Einsatz hat sie sich dabei einer anderen, weniger beachteten Schweiz zugewandt: der Behandlung von Fremden und Flüchtlingen sowie dem humanitären Einsatz und Wirken unbekannter Schweizer und Schweizerinnen. In ihren Forschungen konnte sie so auch für die schweizerische Historiographie wichtige Quellenbestände sammeln und sichern, unter anderem Dokumente und Selbstzeugnisse von Schweizer Helferinnen und Helfern in französischen Internierungslagern und Kinderheimen während des Zweiten Weltkriegs.

Während ihrer gesamten wissenschaftlichen Tätigkeit war Kanyar-Becker zudem erfolgreich darum bemüht, durch Vermittlung historischer Kenntnisse Brücken zwischen der Schweiz und Osteuropa, insbesondere Tschechien, zu schlagen und die Grenzziehung des «Eisernen Vorhangs» zu überwinden. So machte sie in zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten und Zeitungsartikeln die Pragerdeutsche, tschechische und russische Literatur bekannt. Zum «Prager Frühling» von 1968 erarbeitete sie eine umfangreiche Ausstellung in der Universitätsbibliothek mit Originalquellen aus der ganzen Welt, die sie dem Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte am Historischen Seminar der Universität Basel zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung stellte.

Mit der langjährigen bibliothekarischen Betreuung der Bibliothek des Theologen Fritz Lieb (1892-1970) hat sie zudem dazu verholfen, dass der gesamte Nachlass dieses bedeutsamen Gelehrten, der auch Korrespondenzen mit Walter Benjamin, Bert Brecht, Hannah Arendt und Karl Jaspers enthält, in den Besitz der Universitätsbibliothek gelangte. Die Bibliothek «Lieb» gehört mit 13000 Titeln zu den bedeutendsten slawischen Bibliotheken in der nicht-slawischen Welt.