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Dienstag
11.06.2002

Bei der Übernahme eines heiklen Bildes aus dem Internet hat die Tageszeitung «Blick» berufsethisch unlauter gehandelt. Der Presserat hat in einem am Mittwoch veröffentlichten Entscheid festgehalten, es wäre nötig gewesen, die Einwilligung von zwei Personen in einem heiklen Fall einzuholen, obschon diese früher in anderem Zusammenhang der Veröffentlichung des Bildes im Internet zugestimmt hatten. Im August 2001 hatte der «Blick» einen Beitrag mit der Schlagzeile «Schändete CVP-Politiker seine kleine Tochter?» veröffentlicht. Illustriert war der Beitrag mit einem Foto von Vater und Tochter, deren Augen mit schwarzen Balken abgedeckt waren. Diese hatten das Bild zuvor dem freien Journalisten Peter Knechtli anvertraut, der es in seinem Internet News Portal «OnlineReports.ch» veröffentlicht hatte.

Knechtli gelangte daraufhin an den Presserat und machte geltend, der «Blick» habe bei der Bildbeschaffung unlauter gehandelt. Der «Blick»-Journalist habe sich zwar nach den Urheberrechten am Bild erkundigt - jedoch nie gefragt, ob das Bild heruntergeladen und wiederverwendet werden dürfe. «Blick» wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Das Blatt betonte, Knechtli habe keine eigenen Rechte am Bild geltend gemacht, sondern den Journalisten an den Politiker weiterverwiesen. Das Foto mit dem Kürzel «zVg» (zur Verfügung gestellt) habe deshalb von «Blick» publiziert werden dürfen.

Der Schweizer Presserat hat jetzt die Beschwerde gutgeheissen. Die Übernahme eines derart heiklen Bildes ohne Einholung der notwendigen Einwilligung sei berufsethisch unlauter. Ausschlaggebend war, dass der «Blick»-Journalist bei seinem Berufskollegen den Eindruck erweckt habe, vor einer allfälligen Veröffentlichung des Bildes den Abgebildeten zu kontaktieren. Der Presserat betont in seiner Antwort weiter, dass ein mit «zVg» gekennzeichnetes Bild nicht ohne weiteres zum wiederholten Abdruck freigegeben sei - erst recht nicht, wenn die Privat- oder Intimsphäre der Abgebildeten betroffen sei. Im konkreten Fall stehe die Darstellung im Kontext eines massiven strafrechtlichen Vorwurfes.

Das Urteil sei «wegweisend», sagte Peter Knechtli zum Klein Report auf Anfrage am Dienstag. Erstens sei klar gemacht worden, «dass man Online-Platformen nicht einfach nach Belieben plündern darf.» Und zudem sei es «gut und richtig», dass klar gemacht wurde, dass auch zur Verfügung gestellte Bilder nicht einfach für jede Art von Benützung frei seien. Das Urteil im Wortlaut: http://www.presserat.ch/15510.htm