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Montag
25.10.2004

Die Idee war zu vorgerückter Stunde in einem Pub entstanden und führte im Clark County im amerikanischen Bundesstaat Ohio zu einem mittleren Aufruhr, den die britische Zeitung «Guardian» erst am vergangenen Wochenende stoppte. Im Mittelpunkt der als Witz gedachten Kampagne stand eine CD-ROM, die der Clark-County-Hauptort Springfield für 25 Dollar verkauft und auf einer Website veröffentlicht hatte. Der «Guardian» machte den Link zugänglich, und jeder Leser konnte den Namen eines Wählers herunterladen, berichtete «Spiegel Online» am Montagnachmittag. Mehr als 3000 «Guardian»-Nutzer bedienten sich dort schon in den ersten Tagen und deckten 14 000 Männer und Frauen in Clark County mit Briefen ein.

Die meisten Schreiber machten sich für Bushs Herausforderer Kerry stark. So erinnerte Ed Kite aus Stoke-on-Trent an den Zweiten Weltkrieg, als die Briten erst nach dem Wechsel von Premier Neville Chamberlain, der sich «verkalkuliert» habe, zu Winston Churchill über Hitler-Deutschland gesiegt und die «Welt verändert hätten». «Für mich befindet sich Amerika heute in einer ähnlichen Situation», appellierte der Leser an einen Wähler in Clark County. Leser Neal Evans ermahnte eine Wählerin, diesmal für Kerry zu stimmen. Denn vier weitere Jahre Bush bedeuteten für jeden Amerikaner, sich für Auslandsreisen einen falschen kanadischen Akzent zulegen zu müssen. Sowohl US-Bürger als auch Briten seien von ihren Politikern vor dem Irakkrieg belogen worden, schrieb Phil Mountain aus dem walisischen Ort Casnewydd. «Organisationen und Personen, die den Republikanern und dem Präsidenten nahe stehen, haben durch diesen Krieg eine Menge Geld verdient», heisst es in dem Brief.

Doch die so mit Post aus Grossbritannien bedachten Empfängerinnen und Empfänger schossen ebenso scharf zurück, bis die Redaktion die Sache als beendet erklärte: Dass eine Einmischung von Briten in die US-Politik seit 1776 unerwünscht sei, war noch höflich formuliert. «Nehmt eure verfluchten Hände von unserer Wahl», schrieb ein erboster Bush-Anhänger. «Hey, Kotschädel, erinnert euch an die amerikanische Revolution, an den Krieg von 1812. Wir wollen euch und eure Politik nicht hier haben, und deshalb haben wir eure Hinterteile hier rausgetreten.» «Hey, England, Schottland und Wales, kümmert euch um eure Angelegenheiten», hiess es in einem Leserbrief aus Ohio. «Wir brauchen keine Einmischung von britischen Schlappschwänzen.»