Als «volksnahes Qualitätskino» hat der abtretende Bundesrat Pascal Couchepin das Konzept seiner Filmpolitik am Freitagmorgen auf einer Pressekonferenz in Locarno bezeichnet und gegen verschiedene Vorwürfe in Schutz genommen. Immerhin gebe der Bund mittlerweile 45 Millionen Franken unter diesem Titel aus, nachdem es zu Beginn seiner Amtszeit als Kulturminister im Jahr 2003 noch 31 Millionen Franken gewesen seien. Damit betreibe der Bund eine «kohärente Politik», die Früchte trage, findet der Politiker. So seien mit Frankreich, Italien und Belgien neue Verträge über Koproduktionen vereinbart worden, was dem Schweizer Film Märkte im Ausland erschliesse. Und mit Deutschland und Österreich werde über ein tripartites Abkommen diskutiert.
Zum Konflikt um die Aufsichtsbeschwerde des Schweizerischen Verbandes der Filmproduzentinnen und -produzenten (SFP) und der Gruppe Autoren, Regisseure und Produzenten (Garp) sagte Couchepin, sein Departement werde die Vorwürfe natürlich prüfen. Jean-Frédéric Jauslin, Direktor des Bundesamtes für Kultur (BAK), sagte vor den Journalisten im Palazzo Morettini, das wichtigste sei Wertschätzung und Transparenz für ihn. Er wolle jetzt nicht explizit auf die Beschwerde eingehen, da es ein laufendes Verfahren sei. An dieser Aussage hielt er nur Sekunden fest, um dann geschlagene zehn Minuten detailliert Angriffe zu kontern, die aus dem Papier hervorgingen und nur den Betroffenen zu diesem Zeitpunkt explizit bekannt waren. «Die Zeiten, in der sich eine Verwaltung hinter Phrasen verstecken kann, sind vorbei», sagte Jauslin auf der Pressekonferenz. Es sei ihm bewusst, dass die Bürger wissen wollen, «was wir mit ihrem Geld tun».
Der Direktor des Bundesamtes für Kultur verwies darauf, dass die Beschwerde gegen die Sektion Film des Bundesamtes gerichtet sei und nicht speziell auf dessen Chef Nicolas Bideau ziele. Dieser, der dritte Beamte auf dem Podest, begann seine Ausführungen mit den Schweizer Regisseuren Christoph Schaub und Mihály Györik, die am Filmfestival von Locarno vertreten sind. Ausgerechnet die ungarisch-italienisch-schweizerische Filmproduktion, des in Losone aufgewachsenen Györik wurde da vom Filmchef im ersten Satz erwähnt. Györiks Film «La valle delle ombre», der am 12. August um 21.30 Uhr auf der Piazza Grande gezeigt wird, ist aber mit keinem Franken von der Sektion Film unterstützt worden.
Die 4,5 Millionen Franken des Filmetats haben mehrheitlich Ungarn und private Sponsoren beigesteuert. Der 38-jährige Filmer hat schliesslich vom Kanton Tessin Unterstützung erfahren, wie er gegenüber der «Tessiner Zeitung» sagte. Auch bei der Postproduktion, wo er auf etwas Unterstützung angewiesen gewesen wäre, sei vom Bund kein Geld gesprochen worden, sagte Györik ohne sich gross zu beklagen.
Die beiden Organisationen werfen der Sektion Film des Bundesamts für Kultur vor, dass es Fördergesuche willkürlich zurückweise, dass es die Vorschriften über die Festsetzung von Höchstbeiträgen nicht einhalte, dass es den Grundsatz der Gleichbehandlung nicht beachte und bei der Finanzierung von schweizerisch-ausländischen Koproduktionen Vorschriften verletze. Die 13-seitige Aufsichtsbeschwerde vom 30. Juli 2009 hat Rechtsanwalt Willi Egloff (SFP) vom Advokaturbüro Advo Complex verfasst. Der sass mit Robert Boner (Garp), Andres Brütsch (Garp) und Rolf Schmid (SFP) kurz nach der bundesrätlichen Pressekonferenz auf der Bühne des Teatro Paravento, 30 Meter neben dem Palazzo. Die Produzentenverbände Garp und SFP hatten kurzfristig zur Gegenpressekonferenz geladen, wo sie etwa eine Stunde lang ihre Sicht der Dinge darlegten. - Nicolas Bideau und Marco Solari im Interview mit dem Klein Report: http://www.kleinreport.ch/video/locarno-2009 So formulierte Filmer Samir die Kritik an Filmchef Nicolas Bideau: Filmemacher Samir greift «Sonnenkönig» Bideau an und mehr zur Aufsichtsbeschwerde: Die Sektion Film des Bundes auf der Anklagebank
Samstag
08.08.2009



