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Montag
27.01.2020

Medien / Publizistik

Im Web gelöscht: Eine «grobe Fehlleistung», die «in dieser Form nie hätte publiziert werden dürfen», gestand Bluewin-Leiter Cyrill Treptow gegenüber dem Presserat ein...

Im Web gelöscht: Eine «grobe Fehlleistung», die «in dieser Form nie hätte publiziert werden dürfen», gestand Bluewin-Leiter Cyrill Treptow gegenüber dem Presserat ein...

Eine Story auf bluewin.ch über einen gewalttätigen Fussball-Hooligan war laut Presserat nicht nur despektierlich, sondern ergab auch wenig Sinn. Selbst das News-Portal von Swisscom sprach nachträglich von einer «groben Fehlleistung».

«Idiot des Jahres - Gratulation zur lebenslangen Sperre» titelte am 11. März 2019 eine Story auf bluewin.ch, die inzwischen nur noch im Internet Archive auffindbar ist. Darin war zu lesen, dass ein Spieler der zweiten englischen Fussball-Liga von einem Fan der gegnerischen Mannschaft während des Spiels auf dem Spielfeld verprügelt worden sei. 

«Diesen hässlichen Typen sehen wir heute wohl zum ersten und zum letzten Mal», stand in der Legende zu zwei Fotos. Und: Der gewalttätige Hooligan verliere «die letzten Überbleibsel seines missglückten Lebens: Birmingham City spricht ein Stadionverbot auf Lebzeiten aus». Und er würde vor Gericht gestellt.

Richtlinie 8.1 des Journalisten-Kodex verlangt, dass sich die Berichterstattung «an der Achtung der Menschenwürde zu orientieren» hat, und diese ist universell.

«Wenn ein Autor einen Menschen, auch einen Straftäter, als ‘Idioten’ bezeichnet, der ‘die letzten Überbleibsel seines missglückten Lebens’ verliere und dies als positiven Schritt verstanden haben will (‘Gratulation!’), der verletzt ohne Zweifel die Würde eines Menschen», resümiert der Schweizerische Presserat in seiner am Freitag publizierten Stellungnahme. 

Doch die Story sei nicht nur despektierlich, sondern auch unsinnig: Der Bluewin-Autor könne ja nicht wissen, was für ein Leben, missglückt oder nicht, der handgreifliche Fan bisher geführt hat; er schreibe ja selber, man sehe ihn hier «wohl zum ersten Mal».

Erstaunlich an dem publizistischen Unfall ist vor allem, dass Bluewin-Leiter Cyrill Treptow unumwunden zugab, dass die Story unterirdisch gewesen sei: Eine «grobe Fehlleistung», die «in dieser Form nie hätte publiziert werden dürfen», gestand Treptow gegenüber dem Presserat ein.

Weshalb die Story trotzdem seinen Weg aufs Portal fand, konnte der Klein Report am Freitagnachmittag bei der Bluewin-Redaktion nicht in Erfahrung bringen. Keine Antwort gab es auch auf die Frage, ob hinter dem Kürzel «wer», mit dem die Story gekennzeichnet war, ein Redaktionsmitarbeiter stecke oder ob der Autor anonymisiert worden ist.