Darf eine amtierende Medienministerin öffentlich ihre Abneigung gegen eine bestimmte Mediengattung zum Ausdruck bringen? Die Aussage von Doris Leuthard, dass sie als Verlegerin Gratiszeitungen sofort absetzen würde, erhitzt die Gemüter. Nun kontert der Verband Schweizer Gratiszeitungen mit einem offenen Brief an die Bundesrätin.
«Wir fühlen uns als Verband der Schweizer Gratiszeitungen VSGZ angesprochen, verweigern Sie uns doch als oberste Vertreterin des Schweizer Medienwesens unsere Daseinsberechtigung», schreibt Dani Sigel, Präsident des Verbandes und CEO der Zürcher Oberland Medien, im Brief an Doris Leuthard. «Damit stossen Sie nicht nur eine Vielzahl von Verlegern von Gratisblättern vor den Kopf, welche in der ganzen Schweiz hunderte von Arbeitsplätzen schaffen und ihren Teil der Wertschöpfung in unserem Land beitragen, Sie diskriminieren auch mit Ihrer unbedarften Aussage Millionen von Leserinnen und Lesern, welche den Gratiszeitungen gute Seiten abringen können.»
Rückblick: Noch-Medienministerin Doris Leuthard wurde am 22. November beim «Journalismus Tag 2018» befragt, was sie als Verlegerin anders machen würde. Vor den versammelten Journalistinnen und Journalisten erklärte sie in Winterthur unverhohlen, dass sie als erstes Gratiszeitungen abschaffen würde. Qualität und Recherche seien ihr wichtig, so Leuthard.
Dani Sigel und der VSGZ stören sich an dieser Pauschalisierung, wie der Verbandspräsident auf Nachfrage des Klein Reports sagte: «Frau Leuthard ist sich gar nicht bewusst, was die Gattung Gratiszeitungen alles beinhaltet.
Mit ihrer Aussage wirft sie alle in den gleichen Topf, obwohl sie vermutlich vor allem ´20 Minuten` im Auge hatte.» Als Medienministerin habe man eine erhöhte Sorgfaltspflicht, findet Sigel. «Man muss sich bewusst sein, was man mit einer solchen Aussage alles anstossen kann. Diese trägt nicht zu einer positiven Auseinandersetzung bei.»
Leuthards Abneigung gegen Gratisblätter ist für den Gratiszeitungs-Verband ein Novum. «Das ist mir von Frau Leuthard in Winterthur erstmals zu Ohren gekommen. Vielleicht ist es die in unseren Zeitungen weitgehend fehlende politische Meinungsbildung, die sie zu ihrem Verdikt verleitete - als Politikerin möchte sie schliesslich möglichst viel im Scheinwerferlicht stehen», vermutet Sigel. Die Forderung im offenen Brief an die Medienministerin lautet: «Was wir von Ihnen erwarten, ist ein respektvoller Umgang mit Gratiszeitungen.»
Denn die kostenlosen Blätter seines Verbandes liefern mit ihren regionalen Inhalten einen wichtigen Beitrag für die Leser, sagt Dani Sigel dem Klein Report. «Wir alle stehen vor grossen Herausforderungen und müssen qualitativ hochstehende Inhalte produzieren. Über welche Kanäle diese verbreitet werden – also über eine Abo-Zeitung, online oder über Gratiszeitungen – ist nicht so elementar.»
Der CEO der Zürcher Oberland Medien sei gerne bereit, Bundesrätin Doris Leuthard davon zu überzeugen, dass auch Gratiszeitungen für Qualität stehen können. Im offenen Brief schreibt Sigel: «Dies beweise ich Ihnen persönlich und lade Sie in unser Verlagshaus im Zürcher Oberland ein, in dem unter demselben Dach Kauf- sowie Gratiszeitungen hergestellt werden, Texte und Bilder, die vielfach zuerst auf der Online-Plattform erscheinen, weil wir – entgegen Ihren Befürchtungen – seit mehreren Jahren digital unterwegs sind.»