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Mittwoch
27.06.2018

Medien / Publizistik

Mediengesetz: mehr Staat, weniger Social Media

Mediengesetz: mehr Staat, weniger Social Media

Die Online-Marketing- und Social Media-Agentur Xeit aus Zürich hat am 19. Juni neue Zahlen zur Social-Media-Nutzung in der Schweiz veröffentlicht. In ihrem Blog hielt PR-Beraterin Marie-Christine Schindler mit Andrea Iltgen, Managing Partner bei Xeit, fest, dass «die Bedeutung von Facebook abnimmt».

Anlass für die Medienexpertin Regula Stämpfli, für den Klein Report über den Wandel von Politik und sozialen Medien nachzudenken.

Wir erinnern uns: Cambridge Analytica (CA) behauptete im Nachzug, mittels Datenanalyse und gezielter Wahlwerbung wesentlich zum Erfolg von Brexit und der Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA beigetragen zu haben. Was zunächst als grosse PR-Aktion für die eigene Firma gedacht war, entwickelte sich zum handfesten Skandal. Die Zweck- und Handänderung von bis zu 87 Millionen Facebook-Profilen durch CA führte zu Hearings im US-Kongress, im britischen und im Europäischen Parlament.

Seitdem hören die Artikel, Talk-Shows und Dokus in den klassischen Medien über die Gefahr der sozialen Medien nicht mehr auf: Im Artikel «Wie Sie Mark Zuckerberg den Rücken kehren» gab der «Stern» am 21. März 2018 Tipps, wie User den Facebook-Account «für immer ins Datennirwana» schicken können.

Nun belegt die Xeit-Studie den Bedeutungsschwund von Facebook. Offensichtlich ist die Zeit der «All you can eat»-Plattformen vorbei. Die unterschiedlichen Angebote werden unterschiedlich genutzt: Twitter ist für Medien und Politik relevant, Junge sind auf Snapchat, Whatsapp wird für den privaten Chat genutzt, LinkedIn und Xing sind für die Karriere da. Die Blogs haben laut Xeit-Studie zugunsten von Video-Blogs verloren: «1,5 Blogbeiträge werden im Durchschnitt pro Woche veröffentlicht, vor zwei Jahren waren es noch 2,5.»

Die Zeichen der Zeit mehren sich, dass seit der Wahl von Donald Trump mit all ihren Fake News sowie den Wahlerfolgen der Rechtspopulisten in Europa die seit Jahren angeschlagenen klassischen und öffentlich-rechtlichen Medien wieder im Aufwind sind – nicht zuletzt auf politischer Ebene, wie das Nein zu «No Billag» im März 2018 zeigte. Laut Medienministerin Doris Leuthard sollen im neuen Gesetz zu den elektronischen Medien auch Online-Medien künftig mit Staatsgeldern unterstützt werden.

Dies ist punkto Gewaltentrennung, der demokratischen Veränderung von unten, die die sozialen Medien befördert haben, keine beruhigende Nachricht. Statt dass man die kapitalistischen Datenkraken aus dem Silicon Valley auf Verfassungs- und Steuerrecht zurückbindet oder deren Monopole – wie es sich für gute kapitalistische Systeme gehört – zerschlägt, setzt man lieber auf staatlich geförderte Online-Medien.

Doch wer beisst schon kritisch die Hand, die ihn füttert? Sollen nun auch die sozialen Medien in den Zirkus des «Politainment»-Journalismus überführt werden? Soll der demokratische Aufbruch durch die digitalen Medien durch staatliche Kontrolle gestoppt werden? Droht das chinesische Überwachungsmodell der «Social Credit Points» auch in Europa?

Der «Chefpirat» Christopher Lauer, einer der Vorreiter für digitale Demokratie, schrieb erst vor wenigen Tagen bei Zeit Online über die riesige Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Talk-Shows für Wahlen, Agenda-Setting und das politische Personal: «Fernsehen ist auch im 21. Jahrhundert noch ein Leitmedium. Wer von Anne Will eingeladen wird, für den interessieren sich auch die Journalistinnen und Journalisten vom ´Spiegel`, der FAZ, der ´Zeit` und natürlich auch die Redakteure der anderen Talkshows. Vor dem 21. September 2011 war ich ein Student, danach ´der Chefpirat`.»

Brexit, die Wahl von Donald Trump und der Erfolg der rechtspopulistischen Parteien in Europa haben Facebook und vermehrt auch Twitter als Informationsmedien stark delegitimiert. Darüber geht vergessen, wie entscheidend in den letzten Jahren die Mittäterschaft der klassischen Medien am Aufstieg der antidemokratischen Kräfte war. Im Klein Report hielten wir schon vor über zwei Jahren fest: «Holzmedien und AfD sind Quotenkumpels

Die berechtigte Kritik an den sozialen Medien sollte zum rechtsstaatlichen und demokratischen Aufbruch in Richtung «meine Daten gehören mir», Datentransfersteuer, Informations-Allmedien, bedingungslos garantiertes Grundeinkommen et cetera führen. Und in keinem Fall zu mehr Staat. Doch genau dies passiert momentan. Das sind für die Demokratie keine beruhigenden Nachrichten.