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Mittwoch
21.11.2012

Im Dezember 2011 meldete Radiotelevisione Svizzera (RSI), dass im «Fall Ferrari» ein mutmasslicher Drahtzieher des Doppelmordes verhaftet worden sei. Das «Giornale del Popolo» und der «Coriere del Ticino» zogen in ihren Onlineausgaben nach, ersteres mit dem Titel «Arresto il mandante dei delitti Ferrari», zu Deutsch: «Hintermann im Fall Ferrari verhaftet». Wie zuvor das RSI, nannten beide Zeitungen den vollen Namen des Verdächtigen. Und haben damit nach Ansicht des Presserats dessen Privatsphäre verletzt.

Beschwerde wegen der Namensnennung eingereicht haben der Betroffene und seine Familie. Auch habe das «Giornale» mit seinem Titel die Unschuldvermutung verletzt. In seiner Beschwerdeantwort hat der Chefredaktor der katholischen Tageszeitung, Claudio Mesionat, zwar die Namensnennung verteidigt, aber eingestanden, dass der Titel «verunglückt» sei. Ursprünglich, so Mesionat, habe er «Arrestato il presunto mandante del delitto Ferrari» heissen sollen, also «mutmasslier Hintermann», doch sei er «unsorgfältig gekürzt» worden.

Der Presserat kam nun zum Schluss, dass es sich beim Verdächtigen nicht um eine öffentliche Person handelt: «Auch wenn die Verhaftung im Zusammenhang mit einem aufsehenerregenden Doppelmord steht, begründet dies noch kein öffentliches Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung», heisst es in der am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme.

Weiter sei bei der Gerichtsberichterstattung der Unschuldsvermutung Rechnung zu tragen - dies würde beim Titel des «Giornale» zu Recht beanstandet: Dieser unterstelle, «beim Verhafteten handle es sich um den Auftraggeber des Doppelmordes, ohne darauf hinzuweisen, dass es sich um einen Verdacht und nicht um eine feststehende Tatsache handle», so der Presserat.

Damit hätten beide Tessiner Zeitungen die Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt. Die entsprechende Beschwerde gegen das RSI, das den Namen des Verdächtigen zuerst genannt hatte, wird durch den Ombudsmann des öffentlich-rechtlichen Senders geprüft.