Beim 46. Deutschen Historikertag, der am Freitagabend in Konstanz nach vier Tagen zu Ende gegangen ist, ist es zu massiven Kontroversen zum Thema Geschichte im Fernsehen gekommen. Polemische Töne, verbale Tiefschläge, erregte Debatten - gleich mehrere Diskussionen befassten sich mit Geschichtssendungen wie die des ZDF-«Chef-Historikers» Guido Knopp. Die historische Aufklärung werde der Quote geopfert, im Vordergrund stünden effekthascherische Propagandabilder aus der NS-Zeit, Statements von Zeitzeugen würden auf wenige Sekunden-Schnipsel eingedampft, um allein die Aussage «Es war schrecklich» zu transportieren, lauteten einige der Vorwürfe.
Das Leitthema des Historikertages - «Geschichtsbilder» - machte die Vielschichtigkeit des Problems deutlich. Einmal geht es um die zunehmende Bedeutung von Fotos, Film- und TV-Aufnahmen als historische Quelle. Der alte Grundsatz «veritas in actis» - die Wahrheit ist in den Akten - musste längst erweitert werden. Zum anderen geht es darum, wie sehr Bildmedien das Geschichtsbewusstsein der Menschen, also die Geschichtsbilder in den Köpfen, prägen. Daraus folgt die Forderung, dass insbesondere die Medien verantwortungsvoll mit den Bildern umgehen sollten. Der Vorsitzende des deutschen Historikerverbandes, Prof. Peter Funke, erteilte einem «effekthascherischen Histotainment» darum eine klare Absage.
Die Macht der Bilder hat sich nicht nur in der Flut an TV-Dokumentationen und Spielfilmen gezeigt. Kaum eine historische Ausstellung erregte so viel Aufmerksamkeit und Proteste wie die beiden Wehrmachtsausstellungen - 1995 bis 1999 mit etwa 800 000 Besuchern und 2001 bis 2004 mit rund 420 000 Besuchern. Die vor allem auf Fotos gestützte Schau, die die Verbrechen der Wehrmacht dokumentieren sollte, machte auch die Schwäche von Bildern deutlich: Nachweislich waren einige Fotos falsch zugeordnet, statt Verbrechen der Wehrmacht wurden Taten der Waffen-SS oder der Sowjets gezeigt. Im Fernsehen ist es ähnlich. Manche besonders eindrucksvollen Bilder, die oft zur Illustrierung etwa der Pogromnacht 1938 gezeigt werden, zeigen keine brennende Synagoge in Deutschland, sondern eine, die Jahre später in Litauen brannte.
Michael Kloft, bei «Spiegel-TV» für Zeitgeschichte verantwortlich, erinnerte an die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Fernsehmacher. Es sei immer schwieriger, Publikum in der werberelevanten Zielgruppe von 19 bis 49 Jahren für historische Produktionen zu interessieren. Da könnten Farbaufnahmen wie von Eva Braun helfen, den Zuschauer vom Wegzappen abzuhalten. Diese unbedarften privaten Aufnahmen von Hitlers Wohnsitz auf dem Obersalzberg seien nichts anderes als «visuelle Geschichts-Pornografie», hiess es dazu an der Tagung.
Freitag
22.09.2006