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Montag
18.08.2014

Medien / Publizistik

Geri Müller verschickte Selfies

Geri Müller verschickte Selfies

Eine junge Frau wirft dem Aargauer Nationalrat und Badener Stadtammann Geri Müller vor, er habe sie verhaften lassen, damit sie einen vergangenen Chat-Kontakt zwischen den beiden nicht öffentlich mache. Das behauptet jedenfalls Chefredaktor Patrik Müller, der in der «Schweiz am Sonntag» den Fall minutiös nachzeichnet.

Geri Müller und die Frau hätten seit Februar 2014 für mehrere Wochen eine Online-Chat-Beziehung geführt und sich dann auch persönlich getroffen. Der Politiker habe der Frau mehrere Nacktbilder von sich selbst geschickt - teilweise auch aus dem Stadthaus und dem Nationalratssaal, heisst es in der Zeitung.

Mit an US-amerikanische Prüderie erinnernder Sorgfalt listet Patrik Müller die Sexnachrichten des Politikers auf, beschreibt die Nacktbilder, die Geri Müller verschickt habe, und den durch die Frau zugetragenen Sachverhalt.

Die junge Frau wurde am Mittwochabend in Baden von der Kantonspolizei Aargau angehalten. Die Frau, die in Bern wohnt, behauptet, sie sei von einer Vertrauten von Geri Müller nach Baden gelockt worden und dann dort vor deren Wohnung verhaftet worden. Müller und seine Vertraute hätten gemeinsame Sache gemacht.

Die Kantonspolizei Aargau bestätigte der «Schweiz am Sonntag» die Anhaltung der jungen Frau, jedoch sei sie nicht von Geri Müller losgeschickt worden, sondern von der Kantonspolizei Aargau, die wiederum eine Meldung von der Kapo Bern erhalten habe, dass eine Frau unterwegs nach Baden sei, hört sich die Geschichte weiter mysteriös an.

Auf der Polizeistation hätten die Beamten die Frau überzeugen wollen, ihr Smarthpne dazulassen, so die Frau. Sie berichtet ausserdem, Geri Müller habe sie nach dem Ende der Beziehung zur Löschung der Chats und zur Abgabe des Handys aufgefordert. Wegen der Befürchtung, ihr würde später niemand glauben, habe sie begonnen, die Gespräche mit dem grünen Politiker aufzunehmen.

Die Polizei sei am Donnerstagabend noch einmal bei ihr vorbeigekommen und habe ihr iPhone, weitere Handys sowie zwei Laptops beschlagnahmt. Die Beamten gaben an, es bestehe Verdacht auf illegale Aufzeichnung von Gesprächen.

Der Grünen-Nationalrat Geri Müller liess am Sonntagnachmittag ein Statement verbreiten, in dem er zugab, die Kantonspolizei Bern in der Sache eingeschaltet zu haben. «Dies aufgrund von Suiziddrohungen von ihrer Seite», so Müller.

Der Politiker bezeichnete den Kontakt zu der Frau als «rein private Angelegenheit». Die Frau habe ihn massiv unter Druck gesetzt und damit gedroht, Privates an die Medien und Drittpersonen weiterzugeben und ihm damit Schaden zuzufügen. «Ich habe versucht, sie von diesem Vorhaben abzuhalten und meine Privatsphäre zu schützen. Leider erfolglos, wie ich heute mit der Publikation in der ´Schweiz am Sonntag´ feststellen musste.»

Er mache sich Vorwüfe, darauf vertraut zu haben, dass Privates privat bleiben würde. «Mein Vertrauen wurde bitter enttäuscht und grob missbraucht.» Weiter bat Müller um Verständnis dafür, dass er sich zum Schutz der Privatsphäre aller Beteiligten nicht weiter äussern wolle.

Der Polizeisprecher der Kantonspolizei Aargau bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur SDA, dass die betroffene Frau in Baden angehalten und befragt worden sei, es sei jedoch kein strafrechtliches Verhalten festgestellt worden und auch die Frau habe keine Strafanzeige erstattet.

Die «Nackt-Selfies aus dem Stadthaus», so der Titel der «Schweiz am Sonntag», sind nicht der springende Punkt, findet der Klein Report. Klar ist, Geri Müller hat sich hochgradig naiv verhalten, als er in seiner exponierten Position den Kontakt mit der Frau eingegangen ist und ihr auch noch sexuell aufgeladene Botschaften von seinem Arbeitsplatz geschickt hat.

Diese Botschaften sind aber nicht illegal, moralisch für einige Leute vielleicht verwerflich. Denn private Nacktbilder innerhalb einer wie auch immer gearteten Beziehung zu verschicken, steht jedem und jeder frei. Der Kontakt scheint tatsächlich von beiden Seiten erwünscht gewesen zu sein, auch die betroffene Frau behauptet in der «Schweiz am Sonntag» nicht das Gegenteil.

Wichtig sind hingegen die Fragen, in welcher Funktion Geri Müller die Polizei alarmiert hat, und warum die Frau aufgegriffen und einvernommen worden ist. Wenn Geri Müller die Frau tatsächlich als Stadtammann von Baden hat verhaften lassen, so wie es die Zeitung «Schweiz am Sonntag» insuiniert, um die unliebsamen Bilder vor den Augen der Öffentlichkeit zu schützen, liegt ein Amtsmsisbrauch vor.

Hat aber Geri Müller als Privatperson und in Sorge um die psychische Gesundheit der Frau gehandelt, geht es nicht um ein juristisches Problem, sondern bloss um ein erotisches Zwischenspiel, das völlig aus dem Ruder gelaufen ist.

Am Sonntagabend liessen sich in den Wanner-Medien - den lokalen TV-Sendern TeleZüri, Tele M1 und TeleBern - einige Politiker bereits zu Rücktrittsgedanken über Geri Müller hinreissen, nachdem die Chat-Bekanntschaft im TV-Beitrag schon als «Geliebte» des Politikers tituliert worden war. Ein sogenannter «Politexperte» aus dem Aargau rechnete dann bereits die politischen Verfehlungen der vergangenen Zeit des grünen Politikers auf und fand, dass es - falls das alles stimmt - «eng für Geri Müller werde».

Selbstredend und verteidigend erklärte Chefredaktor Patrik Müller in den Haussendern, weshalb die Geschichte unumgänglich und im Interesse der Öffentlichkeit sei, orchestriert auch mit Peter Studer, der es als absolut verwerflich ansieht, wenn es zu «einem Missbrauch von Amtsstuben» durch das Versenden von Nacktbildern kommt. Und «möglicherweise» sei es zu einer «Nötigung» gekommen, so Studer, der offenbar bereits die ganze Faktenlage auf dem Tisch hat, um ein umfassendes Urteil abgeben zu können.

Ähnlich auch im Schweizer Staatssender SRF um 19.30 Uhr. Da wird die Frau auch als «Geliebte» bezeichnet, die nach der «Affäre» - also einer Liebesbeziehung - Vorwürfe erhebt.

Gemach, gemach! Kann der Klein Report da nur sagen. Gerade auch die Frau, die unter anderem die Chat-Beziehung mit Geri Müller hatte, ist aus ihrer emotionalen Situation und misslichen Lage direkt in einen medialen Shitstorm gezogen worden.