Vor Beginn der Medienkonferenz, an der sich Geri Müller über seine Version der Geschichte um eine verunglückte erotische Chat-Bekanntschaft und «Nackt-Selfies» äusserte, sass er vor der Zürcher Brasserie Lipp und rauchte eine Zigarette.
Der grüne Politiker zeigte den ankommenden Journalisten damit, dass er keiner ist, der sich versteckt. Sehr ruhig und deutlich schilderte er am Dienstagmorgen vor den 50 anwesenden Medienvertretern im Salle Monparnasse die Vorkommnisse. Geschickt integrierte der grüne Nationalrat dabei eine subtil aufgetragene Medienkritik.
«Das Geschriebene brachte Wahres und Unwahres», äusserte er sich zum medialen Shitstorm, der in den letzten Stunden über ihn und die betroffene Frau hereingebrochen war. Davor hatte er sich in aller Form bei seiner Lebenspartnerin und seinen Wählern entschuldigt. Es sei sehr schwierig, wenn jemand etwas schreibe, ohne nachzufragen. «Aber das ist einfach so», gab Geri Müller schulterzuckend seine Version zu Protokoll.
Mit dieser Kritik zielte er in Richtung eines anderen Müllers - Patrik Müller, der den Fall als Chefredaktor der «Schweiz am Sonntag» publik gemacht und mit schlüpfrigen Details penibel nachgezeichnet hatte. Patrik Müller wiederum sass mit angespannter Miene im Saal, neben ihm Christian Dorer, Chefredaktor der «Aargauer Zeitung», die auch zu den AZ Medien gehört.
«Ich las den Artikel am Sonntag um vier Uhr morgens online. Ich habe mich vor allem geschämt. Ich habe mich geschämt vor mir selbst, meiner Partnerin und der Stadt. Meine dunkle Seite, auch wenn sie nur ein kleiner Teil von mir ist, ist im Licht der Weltöffentlichkeit», so der Nationalrat und Stadtammann von Baden in etwas theatralischem Ton. «Macht so etwas nicht. Was abgelichtet ist, ist abgelichtet», appellierte er an junge Menschen aus seinen gemachten Erfahrungen mit freizügigen Fotos.
Falsch sei die Information, dass seine Chat-Bekanntschaft erst 21-jährig sei, die Frau sei schon 33. Dieses falsche Alter hatte nicht die «Schweiz am Sonntag» genannt. Es wurde aber am Montag von Zeitungen wie «Blick», «Bund» oder «Oltener Tagblatt» verbreitet. «20 Minuten» befragte «Experten» dazu, was junge Frauen an deutlich älteren Männern gefalle.
Die Chat-Bekannte habe ihm, nachdem er den Kontakt abbrechen wollte, mehrmals damit gedroht, die Nachrichten und Fotos, die sie von ihm habe, an die Medien weiterzugeben. «Wie ich jetzt erfahren habe, fanden aber manche Redaktionen, das könne man so nicht veröffentlichen», sagte Geri Müller rückblickend. «Das nun doch jemand fand, man muss das veröffentlichen, ist eine andere Sache», kritisierte der Politiker den Artikel in der «Schweiz am Sonntag» von Chefredaktor Patrik Müller nochmals.
Geri Müllers Erklärungen an der Pressekonferenz, die mit denjenigen der Kantonspolizei Bern und Aargau übereinstimmen, entlasten ihn vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs.
Zum jetzigen Zeitpunkt scheint eine moralisch fragwürdige Chat-Bekanntschaft übrig zu bleiben, die er vor fünf Monaten beendet hat und «Nackt-Selfies», die er aus seinem Büro im Amtshaus und aus dem Nationalratssaal verschickt hat. «Ich bin manchmal bereits um fünf Uhr morgens im Büro und arbeite bis zwei Uhr nachts», verteidigte Geri Müller sich dazu und stellte die rhetorische Frage: «Was ist Amt und was ist privat.»
Der Anwalt des Politikers, Andreas Meili, meinte in seiner Verteidigungslinie: «Übrig bleiben nur moralische Gründe, und dafür hat sich Geri Müller heute entschuldigt.» Meili bat die Medien, dies in ihrer zukünftigen Berichterstattung zu berücksichtigen, und hielt fest: «Auch Politiker und andere öffentliche Personen haben einen Anspruch auf Schutz der Privatsphäre.»
Inzwischen äusserte sich auch die Frau wieder, die sich bereits ausführlich in der «Schweiz am Sonntag» zu Wort gemeldet hat. Die 33-jährige Gymnasiallehrerin gab am Dienstagnachmittag der «BaslerZeitung» zu Protokoll, ihr ehemaliger Chat-Kontakt lüge zum Teil. Nicht sie habe ihn, sondern er sie mit Chats bedrängt. Gegenüber dem Zürcher Lokalfernsehsender Tele Züri sagte sie, sie schreibe einen Krimi und keinen erotischen Roman, wie von Müller an der Pressekonferenz behauptet.
«Sex hatten wir aber nie, den hatte ich immer abgelehnt», gibt die von den meisten Medien fälschlicherweise als «Geliebte» bezeichnete Frau Müller recht. Die Lehrerin bestätigte, die Nähe zu den Medien gesucht zu haben. Sie habe dies getan, weil sie sich bedrängt gefühlt habe.