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Dienstag
25.10.2022

Medien / Publizistik

Der Politologe Nenad Stojanović (l.), der heute an der Universität Genf forscht, hat das Wort an fög-Direktor Mark Eisenegger übergeben… (Screenshot Livestream Medien Konferenz)

Der Politologe Nenad Stojanović (l.), der heute an der Universität Genf forscht, hat das Wort an fög-Direktor Mark Eisenegger übergeben… (Screenshot Livestream Medien Konferenz)

Das Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft FÖG an der Universität Zürich hat im Auftrag der Kurt Imhof Stiftung für Medienqualität ein weiteres «Jahrbuch Qualität der Medien» publiziert. Vorgestellt wurde die Ausgabe 2022 am Montagmorgen in einem Livestream von der Universität Zürich.

Die ernüchternde Erkenntnis: «Junge Erwachsene schauen zwar oft auf ihr Smartphone, konsumieren darauf aber durchschnittlich nur sieben Minuten pro Tag News.»

Für die Forscher bedeutet das eine «zunehmende News-Deprivation», die «negative Folgen für die Demokratie» haben wird.

Informationsmedien seien zentral für den politischen Prozess. Die zwei ersten Vertiefungsstudien des «Jahrbuchs Qualität der Medien 2022» zeigen dahingehend «eine wenig erfreuliche Entwicklung», schreibt der Politologe Nenad Stojanović im Vorwort zur aktuellen Studie.

Für eine erste Untersuchung haben die Forschenden mit einem innovativen Verfahren die Mediennutzung von jungen Erwachsenen auf ihrem Smartphone aufgezeichnet. Dafür hat man mit Adrian Rauchfleisch von der National Taiwan University und Pascal Jürgens von der Universität Mainz zusammengearbeitet. Das fög hat dazu die mobile Mediennutzung von über 300 Studienteilnehmenden zwischen 19 und 24 Jahren mit einem Mobile Tracking detailliert erfasst. Dabei hat sich die Diagnose der News-Deprivation erhärtet. Darunter versteht man die «Unterversorgung mit professionell und gemäss Qualitätsstandards erstellten News».

Das sei problematisch, folgern die Qualitätsforscher. Dies zeige auch eine zweite Vertiefungsstudie, die zusammen mit den Kollegen Tobias Keller und Lukas Golder von GFS Bern durchgeführt wurde.

Diese Untersuchung am Beispiel des Abstimmungswochenendes von 13. Februar 2022 zeigt, dass die Gruppe der News-Deprivierten im Vergleich zu Personen mit anderen Newsrepertoires weniger oft am politischen Prozess teilnehmen, ein geringeres Politikinteresse aufweisen und den politischen Institutionen weniger stark vertrauen.

«Diese beiden Vertiefungsstudien verdeutlichen die Wichtigkeit von Journalismus für die politischen Prozesse in der Schweiz, gleichzeitig aber auch, dass dieser an gesellschaftlicher Reichweite verliert, mit Folgen für das politische Interesse, das Institutionenvertrauen und die demokratische Teilhabe», ist die entsprechende Folgerung des Jahrbuchs.

Die Gruppe der «News-Deprivierten», für die ein unterdurchschnittlicher News-Konsum typisch ist, wächst seit einigen Jahren kontinuierlich. Sie liegt 2022 mit einem Anteil von 38 Prozent in der Schweizer Bevölkerung auf einem neuen Höchststand und ist besonders bei jungen Erwachsenen stark vertreten. Dazu hat die Studie auch noch gezeigt, dass junge Männer täglich durchschnittlich elf Minuten News konsumieren, während die mobile Nutzungsdauer bei Frauen nur bei fünf Minuten pro Tag liegt.

Dies hat Folgen: «Welche Medien eine Person nutzt und wie oft, hat einen Einfluss auf ihre Teilnahme am politischen Geschehen», sagte Medien-Experte und FÖG-Direktor Mark Eisenegger bei der Präsentation der Studie.

Mit dem «Jahrbuch Qualität der Medien – Schweiz Suisse Svizzera» untersucht das FÖG jährlich die Veränderungen in der Schweizer Medienlandschaft. Seit der ersten Ausgabe 2010 liefern die Herausgeberinnen und Herausgeber aktuelle Kennzahlen zur Medienqualität, Mediennutzung, Medienkonzentration und Finanzierung sowie zur Entwicklung des Schweizer Mediensystems. Untersucht werden dabei alle Mediengattungen – Presse, Radio, Fernsehen, Online und Social Media. Ebenso werden Trends und aktuelle Geschehnisse wie beispielsweise die Berichterstattung zur Corona-Pandemie eingeordnet. Die fortschreitende Medienkonzentration oder die Bedeutung von Social Media für Informationsmedien werden in einen grösseren Kontext gestellt.

Dabei konnten die Befunde des Jahrbuchs zeigen, dass die «Qualität der Schweizer Medien insgesamt leicht zugenommen hat». Die Medien ordnen seit Beginn der Corona-Pandemie stärker ein und berichten vermehrt über Hard News, vor allem über Schweizer Politik. Mit dem Fokus auf Politik und dem Rückgang an Human-Interest-Themen steige die Relevanz.

«Allerdings bewirkt der starke Fokus auf die Pandemie auch Defizite bei der Vielfalt.» Was die Medienberichterstattung zum Ukraine-Krieg betrifft, lässt sich eine «relativ hohe Qualität beobachten», wie das FÖG bereits in einer vorab publizierten Studie feststellen konnte.

In einer Vertiefungsstudie zur Qualität der Wirtschaftsberichterstattung zeigt sich, dass betriebswirtschaftliche, unternehmensbezogenen Beiträge hier den grössten Anteil ausmachen (2021: 68 Prozent). Berichte zu gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen haben in den letzten Jahren hingegen an Bedeutung verloren. «Der Wirtschaftsjournalismus verliert dadurch seine Funktion als Frühwarnsystem, das zum Beispiel Wirtschaftsblasen oder Rezessionen frühzeitig thematisiert», so Eisenegger. Zudem sind Frauen in Beiträgen zu Wirtschaftsthemen im Vergleich zu Männern deutlich unterrepräsentiert (2021: 23 Prozent Frauenanteil).

Immerhin: Der Anteil an Frauen in der Wirtschaftsberichterstattung ist im Vergleich zu anderen Themenbereichen wie Politik, Sport und Kultur seit 2015 am stärksten gewachsen.

Das Jahrbuch 2022 sowie die Vertiefungsstudien sind auf www.foeg.uzh.ch erhältlich.