Die «Glarner Nachrichten» leisteten sich in ihrer Donnerstagsnummer einen kultivierten «Tabubruch». Im Hinblick auf den Frauenstreiktag verwendeten sie in allen aktuellen Meldungen das generische Femininum – ohne die Leserschaft vorzuwarnen.
Mit anderen Worten: Anstatt Zuschauer sassen Zuschauerinnen auf der Tribüne, an der Versammlung waren Einwohnerinnen präsent und im Parlament debattierten ausnahmslos Politkerinnen.
Man könnte davon ausgehen, dass dies der Leseschaft merkwürdig vorkommt – doch weit gefehlt. Die Resonanz war (gender)neutral. Marco Häusler, Dienstchef der Zentralredaktion, sagte zum Klein Report: «Der Sturm der Entrüstung blieb definitiv aus. Wir hatten nur eine negative Reaktion.»
Diese stammte von einem Leser, der die Übung als «Mumpitz» bezeichnete. Begründung: Er habe genau genug gelesen, um zu bemerken, dass diese Ausgabe anders war als ihre Vorgängerinnen und Nachfolgerinnen.
Die Redaktion klärte die Leserinnen und Leser in ihrer Freitagausgabe mit folgenden Worten auf: «Es war ein Versuch der Redaktion, um auf unbewusstes Verhalten zu sensibilisieren. Viel häufiger als das generische Femininum wird nämlich das generische Maskulinum verwendet – oft verbunden mit dem Hinweis, dass Frauen mitgemeint seien. Das Ziel des Versuchs war denn auch nicht, Sie als Leserinnen und Leser zu einer anderen Schreibweise zu motivieren. Sondern an einem Beispiel aufzuzeigen, dass der heutige Frauenstreik eben nicht Mumpitz ist.»
Online-Redaktorin Sara Good begründete die Wichtigkeit des Genderns aus ihrer Sicht in einer emotionalen Kolumne: «Wenn konsequent nur von Wissenschaftlern, Spitzensportlern oder Politikern die Rede ist, fehlen nicht-männliche Vorbilder. Medien haben die Verpflichtung, die Realität abzubilden. Medien verfehlen ihren Auftrag, wenn sie nur das generische Maskulinum nutzen. Ausser sie berichten über katholische Pfarrer.»
Nicht nur das Gendern sei wichtig, so Good, damit Frauen angemessen repräsentiert sind. Bei der Gleichberechtigung sollten wir vor der Sprache nicht Halt machen. Frauen sind grundsätzlich in der Berichterstattung untervertreten, auch in den «Glarner Nachrichten». Manchmal gebe es Tage, in denen sie es im Regionalteil nicht schafften, Frauen sichtbar zu machen. Mit einer reinen Frauenquote sei das Problem auch in der Medienwelt nicht gelöst. Essenziell bleibe es, in welchen Rollen Frauen in den Medien auftreten.
Offenbar haben die Glarnerinnen und Glarner ihr Ziel erreicht. Wenn praktisch niemand reagiert, kann man davon ausgehen, dass das generische Femininum bereits jetzt beim breiten Volk angekommen ist. Und wenn es dazu beiträgt, den Genderstern zu verhindern, ist auch der deutschen Sprache geholfen.