Die Wochenzeitung «Die Zeit» hatte am Donnerstag über Nachrichten berichtet, die bei Springer konzernintern verschickt worden sein sollen. Geleakt wurden E-Mails und Chatnachrichten, die Springer-Chef Mathias Döpfner an seine engste Führungsriege adressiert haben soll.
Es ging um abfällige Kommentare über Ostdeutsche oder um Kritik an Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch soll sich Döpfner vor der Bundestagswahl eine FDP-freundliche Berichterstattung in der «Bild» gewünscht haben.
Es folgte «ein Medienrummel wie selten», schreibt dazu am Samstag die «Bild»-Zeitung sogar selbst: Die ARD-«Tagesschau» berichtet in der 20-Uhr-Ausgabe (4,5 Millionen Zuschauer) über den Fall, brandmarkt Döpfner zudem als «geschichtsvergessen, respektlos, diffamierend», später folgen auch die «Tagesthemen» der ARD.
Die «Neue Zürcher Zeitung» schreibt von Döpfner als «Unruheherd» und «schrillem Charakter». Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» macht sich lustig über eine Doppel-Rolle Döpfners – als seriöser Verlagschef und ausgeflippter SMS-Schreiber. Der «Spiegel» dichtet ihm ein «Spatzenhirn» an.
All diese Kommentare werden in Döpfners eigener «Bild»-Zeitung zitiert. Dazu hat die Chefredaktorin Marion Horn ihren Chef und Springer-Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner zu einer Entschuldigung wegen abfälliger Aussagen über Ostdeutsche aufgefordert. «Eigentlich ist eine Entschuldigung fällig, Chef!»
Zugleich wies Horn Mutmassungen zurück, dass Döpfner Einfluss auf die Berichterstattung der Zeitung nehme. «Ich lasse mir von niemandem sagen, was ‚Bild‘ zu schreiben hat.»
Der Angeschossene hat inzwischen reagiert. In einem auf der «Bild»-Website veröffentlichten Beitrag «in eigener Sache» schrieb der Chef des Medienhauses zur Forderung von Marion Horn: «Stimmt. Ich bitte um Entschuldigung dafür, dass ich mit meinen Worten viele gekränkt, verunsichert oder verletzt habe.»
Wenn er wütend oder sehr froh sei, werde sein Handy zum Blitzableiter. «Ich schicke dann manchmal Menschen, denen ich sehr vertraue, Worte, die ‚ins Unreine‘ gesagt oder getippt sind. Weil ich davon ausgehe, dass der Empfänger weiss, wie es gemeint ist. Und weil ich mir nicht vorstellen kann oder will, dass jemand diese Worte an Dritte weitergibt», fügt Döpfner seiner Entschuldigung an.
Der Konzernchef, der mittlerweile durch Verlegergattin Friede Springer auch ein grösserer Anteilseigner bei Axel Springer mit 22 Prozent ist, schrieb weiter: «Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht – mir gelingt es nicht immer, private Nachrichten im korrekten Ton zu schreiben.»
Der Medienmann mit den vom Blitz geleiteten, aber nicht immer blitzgescheiten Gedanken findet mit diesen Worten auch ein gewisses Verständnis. Das Polit-Magazin «Cicero» meint: «Döpfner ist kein Irrer».
Im Deutschlandfunk bestätigt Schriftstellerin Nora Bossong das Recht auf «Polemik» und auf Privatsphäre. Die «Zeit» erweise «der Pressefreiheit einen Bärendienst» und habe «selbst eine politische Agenda».
Tatsächlich ist auffällig, dass mehrere der aufgeführten Zitate von Döpfner direkt an den früheren «Bild»-Chefredaktor Julian Reichelt gerichtet worden sein sollen. Dieser musste im Herbst 2021 den Konzern nach Vorwürfen des Machtmissbrauchs verlassen.
Zu diesem Thema hatte die ARD im neuen Format «Reschke Fernsehen» Mitte Februar den Film «Der grosse Hecht» laufen lassen. Gemäss der Redaktion waren die Journalistinnen bei ihren Recherchen im Kontakt mit fünfzig Beteiligten, mit zwölf hätten sie Interviews geführt. Alle sagten anonym aus, mit Name und Gesicht traute sich niemand vor die Kamera.
Julian Reichelt hatte Vorwürfe bestritten und später von einer «Schmutzkampagne» gesprochen. Die Anwälte beider Seiten stehen Gewehr bei Fuss.
Und der «Zeit»-Artikel erschien nur Tage vor einer erwarteten Veröffentlichung eines neuen Buchs von Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre. Das fiktive Werk, das am kommenden Mittwoch erscheint, wird als Schlüsselroman zu dem Medienhaus gehandelt.