Seit vier Jahrzehnten ist André Béchir der Schweizer Konzertveranstalter. Weit über 4000 Veranstaltungen organisierte der CEO der abc Production im Zürcherischen Opfikon, darunter so legendäre Shows wie jene der Rolling Stones in Dübendorf.
Doch seit geraumer Zeit spürt der langjährige Besitzer der Agentur Good News heftigen Gegenwind. Er verliert nicht nur Konzerte an den Marktführer Live Nation, auch immer mehr Mitarbeiter verlassen die 2009 gegründete Konzertagentur und ihre drei Schwesterfirmen 360°, You Are Special und All In One. Nicht alle tun dies freiwillig. Der Grund: Béchir soll noch in diesem Jahr mit seinem Konkurrenten Thomas Dürr von der Basler Act Entertainment fusionieren.
Bereits Ende 2016 verliess der Journalist Frank Hubrath (3sat, «Sonntagsblick») das Unternehmen. Er war als Head of Promotion für Béchir tätig. Es folgten die Empfangsdamen sowie Personal aus den Bereichen Booking, Buchhaltung, Promotion und VIP-Events. Ein Ende der Kündigungswelle ist nicht abzusehen. Gemäss Informationen des Klein Reports wurde bereits der nächste Abgang eines Kadermitarbeiters an die Geschäftsleitung kommuniziert.
Doch die Branche weiss: Diese Fusion ist keine Wunsch-Ehe. Die CEOs André Béchir (abc) und Thomas Dürr (Act) sind sich spinnefeind. Jahrelang bekämpfte man sich, obwohl beide Unternehmen zur deutschen Eventim-Gruppe gehören, welche auch 50 Prozent an Ticketcorner hält. Das börsenkotierte Unternehmen beschäftigt weltweit 2400 Mitarbeiter.
Béchir will seine Aktienbeteiligung von 20 Prozent verkaufen und im neuen Konstrukt nur noch beratend zur Verfügung stehen. Dürr, der das neue Unternehmen mit den Standorten Zürich und Basel führen soll, hält 49 Prozent an der Act Entertainment. Lassen sich die grundverschiedenen Philosophien der beiden Alphatiere unter einen Hut bringen?
Béchir, ein Promoter alter Schule, weltweit angesehen, qualitätsbewusst und vom Erfolg verwöhnt. Der 68-Jährige gilt als Schlitzohr, hat jedoch den Anschluss an das junge Musikschaffen verpasst. Darum kümmern sich längst Veranstalter wie Mainland oder Gadget, beide in Zürich ansässig.
Thomas Dürr hingegen ist breiter aufgestellt und organisiert neben Musik auch Zirkus, Comedy, Kleinkunst oder Musicals. Doch der umtriebige Deutsche hat längst nicht die Reputation eines André Béchirs. Er gilt als leicht chaotisch und bevorzugt im Vergleich zum grosszügigen Béchir stets die billigste Variante. Nun soll man Synergien nutzen und gemeinsam gegen die übermächtigen US-Amerikaner antreten.
Live Nation veranstaltet jährlich 20'000 Konzerte von 2'000 Künstlern. Seit der Branchenriese in das hart umkämpfte Business eingegriffen hat, werden auch in der Schweiz die Karten neu gemischt. Die abc Production verlor langjährige Bands wie Coldplay oder Depeche Mode an den global agierenden Konzern. Und ausgerechnet Intimfeind Dürr führte respektive führt diese Konzerte in der Schweiz durch.
Die Frage ist nur, wie lange der Act-Boss für kleines Geld Konzerte im Auftrag von Live Nation durchführen darf. Längst hat das Unternehmen ein Büro in der Schweiz. So dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis Marktführer Live Nation die Konzerte in der Schweiz von A bis Z selbst organisiert.