Aus Verärgerung über die Weigerung des Schweizer Fernsehens (SF) und der Produktionsfirma TPC (TV Productioncenter), sich auf Verhandlungen über die aktuellen Tarife einzulassen, haben freie TV-Kameraleute am Dienstag eine Arbeitsverweigerung keineswegs ausgeschlossen. «Streik ist ein Thema», sagte Charles M. Michel, Präsident des Schweizerischen Verbandes der ENG- und TV-Produktionsfirmen (ENG-Schweiz), gegenüber dem Klein Report. Ein von allen ENG-Mitgliedern - laut Präsident Michel über 30 Kleinstfirmen - befolgter Streikaufruf wäre nach seinen Worten für das Schweizer Fernsehen «ein echtes Problem, vor allem bei der täglichen Berichterstattung», sagte er.
Allerdings ist der von Michel präsidierte Verband ein Zusammenschluss von freien Kameraleuten ohne Gewerkschaftshintergrund und Streikkasse. ENG-Schweiz-Mitglieder wollten sich deshalb nicht darauf behaften lassen, wie gut ein allfälliger Streikaufruf befolgt würde. Zudem gehören alle freien Kameraleute dem Verband an. SF betonte in einer Stellungnahme, mit den freischaffenden Kameraleuten oder Produktionsfirmen Verträge zu haben, wogegen ENG-Schweiz nicht Vertragspartner sei. Über die Tarife werde an den jährlichen Produzenten-Meetings gesprochen, zu denen «jeweils auch die freischaffenden Kameraleute eingeladen» seien.
Das Stichwort Streik macht aber deutlich, wie tief die Verärgerung bei vielen freien Kameraleuten ist. In raschem Rhythmus haben nach ihrer Darstellung SF und TPC neue Systemformate (Umstellung auf Digital, auf 16:9 und High Definition, HD) mit den entsprechenden Ausrüstungen verlangt, was aber nicht abgegolten worden sei. Eine am Dienstag präsentierte Expertise des Instituts für Klein- und Mittelunternehmen der Universität St. Gallen kommt zum Schluss, dass der heute gültige Tagesansatz von 1020 Franken je nach Auslastung um 230 bis 550 Franken unter den effektiven Kosten liege. Im umliegenden Ausland erhalte ein freier Kameramann mit vergleichbarer Ausrüstung zwischen 1235 (Italien) bis zu 1690 (London) Franken.
Demgegenüber erklärte das Schweizer Fernsehen gegenüber dem Klein Report, die Expertise werde «zur Kenntnis» genommen. Sie sei aber «mit teilweise falschen, nicht der Realität entsprechenden Annahmen erstellt» worden. Wörtlich heisst es weiter in der SF-Stellungnahme: «So ist es beispielsweise falsch, dass die Kameraleute aufgrund von Formatwechseln grosse Investitionen tätigen mussten, um von SF weiterhin Aufträge zu erhalten. Bei SF und TPC wird mit heute gültigen Formaten bis ins Jahr 2012 bzw. 2014 weiter gearbeitet. Somit sind auch die Amortisierungskosten in der Expertise nicht richtig. Abgesehen davon sind die Tagesansätze für Kameraleute, die mit HD-Kameras arbeiten, höher als bei Kolleginnen und Kollegen, die über älteres Material verfügen.» - Siehe auch: Freie TV-Kameraleute im Clinch mit dem Schweizer Fernsehen
Dienstag
23.09.2008




