Bemühen um mehr Frauen und mehr Vielfalt in den Leitungsgremien wollen sich die meisten grossen Medienhäuser. Bei der Umsetzung aber hapert es.
Wie viel ist dran an den Versprechungen, mehr Frauen und «Frauen mit diversen Hintergründen» in wichtige Positionen zu befördern? Das hat der deutsche Verein ProQuote Medien bei den Chefredaktorinnen und Chefredaktoren von «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ), «Spiegel», «Stern», «Süddeutscher Zeitung» (SZ), taz und «Zeit» gefragt.
Die Bilanz sieht durchzogen aus. So hat die linke Tageszeitung taz schon seit den 90er-Jahren Frauen in Machtpositionen, auch in der Chefredaktion. Zuletzt lag der sogenannte «Frauenmachtanteil» – also die nach Führungsebene gewichtete Quote – bei 64,2 Prozent.
Ganz anders sieht es in Frankfurt bei der FAZ aus. Dort lag der gewichtete Frauenmachtanteil bei gerade mal 23,9 Prozent und hat sich fast gar nicht verändert zu der vorigen Zählung.
Vier Männer bilden bei der liberal-konservativen Tageszeitung das «Herausgebergremium», das eine klassische Chefredaktion ersetzt. Einer davon ist Jürgen Kaube. Gegenüber ProQuote sagte er, dass ein Problem nur ein «drastisches Ungleichgewicht» bei der Geschlechterverteilung wäre, worunter er einen Männermachtanteil von fast 76 Prozent offenbar nicht zählt.
Er habe nichts gegen Frauen in Führungspositionen, aber gezielt fördern müsse man die nicht. «Die Fähigkeit, die Gesellschaft abzubilden, hängt davon ab, dass man gute Journalisten hat, nicht woher sie kommen oder welches Geschlecht sie haben», so der FAZ-Herausgeber weiter.
Die FAZ sei in der Vergangenheit männerdominiert gewesen – durch die vergleichsweise kleine Redaktion und geringe Fluktuation in der Belegschaft dauere der Wandel eben länger.
Auch mit der ehemaligen Chefredaktorin des Zürcher «Tages-Anzeigers» Judith Wittwer sprachen die Quoten-Aktivisten. Seit 2020 ist Wittwer Co-Chefredkatorin der SZ in München.
«Unser Eindruck: Diese Chefredaktion will Dinge anders machen, als sie bisher oft gemacht wurden. In Sachen Diversitätsförderung braucht es in München noch Ideen», so das Fazit des Vereins, der seit 2012 die Frauenanteile in den Führungspositionen deutscher Medien erfasst.
Bei dem «Frauenmachtanteil» kommt die SZ auf 39 Prozent. Vor zehn Jahren waren es erst 4 Prozent Frauen in Führung.
Seit einiger Zeit zählt der «Spiegel» genau nach, wie viele Frauen in den jeweiligen Ausgaben zu Wort kommen. Das sagte Thorsten Dörting, Mitglied der Chefredaktion, in der Befragung. Obwohl sich die Redaktion vorgenommen hat, häufiger Expertinnen zu zitieren und mehr Interviews mit Frauen zu führen, sei der Männerüberschuss allerdings kaum geschrumpft.
Der Hamburger Verlag testet auch, wo die «Leser*innen» mitziehen: Obwohl es einen grossen Aufschrei gab, als das Magazin zu gendern begann, seien weder Verkäufe noch Abos abgesackt, so das CR-Mitglied weiter.
Das Nachrichtenmagazin kommt inzwischen auf einen «Frauenmachtanteil» von 42 Prozent.
Und dann gibt es auch noch jene Medienhäuser, die sich lieber nicht äussern mögen, so die Springer-Medien «Bild» und «Welt» sowie «Focus» aus dem Hause Hubert Burda. Sie fanden für ein Interview mit dem Quoten-Verein keine Zeit.
«Es ist sicherlich kein Zufall, dass genau die Chefredaktoren nicht zu Gesprächen bereit waren, die sich in Sachen Vielfalt nicht hervortun», kommentierte die ProQuote-Präsidentin Edith Heitkämper.
ProQuote hat den kooperativeren Medien einen Vertrag geschickt, mit dem sich die Chefredaktionen selbst verpflichten sollen, mehr Frauen zu fördern und auf Diversität zu achten.
Unterschrieben hat einzig die taz.