Seit Längerem war es still geworden um Franz Beckenbauer, Deutschland grössten Fussballer und kongenialen Weltmeister-Trainer. Der Klein Report blickt auf sein Leben.
Selbst in der ARD-Dokumentation über ihn liess er sich entschuldigen und überliess es anderen, über ihn zu reden, wie zum Beispiel seinem Bruder. Nun ist Franz Beckenbauer mit 78 Jahren nach längerer Krankheit gestorben, ohne die Fussball-EM im Juni im eigenen Land noch erleben zu können. Das Leben ist manchmal ungerecht.
Timing ist auch im TV-Business alles: Und darum muss man der ARD zum Sendeplatz ihrer Doku «Beckenbauer» am Montagabend um 20.30 Uhr nur gratulieren. Es ist halt doch das Leben, dass die besten Geschichten schreibt. Die Einschaltquoten werden grandios sein, nicht nur ganz Fussball-Deutschland wird vor dem Fernseher sitzen, sondern auch viele Fussball-Fans aus der Schweiz und Österreich, wo Kaiser Franz die letzten Jahre standesgemäss logierte.
Von ganz unten nach ganz oben: Franz Anton Beckenbauer, geboren am 11. September 1945 in München, als die bayerische Hauptstadt noch in Schutt und Asche lag. Klein Franz wuchs im Arbeiter-Stadtviertel Giesing in München auf und begann auch da Fussball zu spielen.
Hätte ihm nicht als 12-Jähriger ein Spieler vom TSV 1860 München eine Ohrfeige verpasst, wäre der Jungspund selbstredend bei 1860 gelandet. Wie es sich für einen Bub aus Giesing gehörte. Doch Beckenbauer änderte seine Pläne und ging stattdessen zum Stadtrivalen FC Bayern München. Und wurde zur Legende.
Franz Beckenbauer ist Bayern München und Bayern München ist Franz Beckenbauer. Er spielte mit FCB-Legenden wie Sepp Maier, Gerd Müller, Uli Hoeness und Paul Breitner. Doch Franz Beckenbauer war seiner Zeit weit voraus. Er liess sich als einer der ersten Fussballer überhaupt von einem Manager beraten. In der Person des sehr umtriebigen Robert Schwan, der ihm erste lukrative Werbedeals mit Ausrüstern und Co. organisierte. Und dem Sonnyboy und Frauenliebling Beckenbauer schon in früheren Jahren den Weg zum Millionär ebnete.
Es passt aber auch zum Lebemann Beckenbauer, der vor allem an zwei Dingen interessiert war – Frauen und Fussball –, dass er es unterliess, sich um die Steuer zu kümmern, die ein Millionen-Einkommen selbstredend mit sich bringt.
Und so bekam das Bild des Kaisers erste Risse, als er 1980 Hals über Kopf nach New York flüchtete, um beim wenig bekannten Klub New York Cosmos zu spielen. Hätte er nicht an der Seite von Pele gespielt, der letztes Jahr gestorben ist, man hätte kaum ein Wort über diesen Karriereknick verloren.
Doch Beckenbauer war ein Glückskind. Selbst seine Stippvisite beim HSV, damals noch ein grosser Klub der Republik, mittlerweile nur noch zweite Bundesliga, bot dem verlorenen Sohn Deutschlands eine neue Heimstätte. Beckenbauer blieb immerhin zwei Jahre.
Seinen zweiten Höhepunkt nach der Karriere als Spieler gelang Beckenbauer dann als Nationaltrainer mit dem Höhepunkt in Rom 1990, als das Team des Kaisers Weltmeister wurde. Unvergessen das Bild des in sich gekehrten Beckenbauers, der über das Spielfeld schlenderte, während sich die deutschen Fussballer in den Armen lagen.
Natürlich darf bei einem Rückblick auf ein so spannendes Leben als Fussballer auch nicht unerwähnt bleiben, dass er 1974 im eigenen Land Weltmeister wurde und auch auf Klub-Ebene viele Erfolge feierte.
Doch zu Beckenbauers Leben gehört leider auch seine unrühmliche Beteiligung am «Sommermärchen», bei der es Beckenbauer gelang, die Fussball-WM 2006 mit rechtlich sehr dubiosen Tricks nach Deutschland zu holen.
Die Schweizerische Bundesanwaltschaft hatte deshalb 2015 ein Strafverfahren gegen Beckenbauer wegen des Verdachts auf Betrug, ungetreue Geschäftsbesorgung, Geldwäsche und Veruntreuung eingeleitet. Die Ermittlungsakte sieht in Beckenbauer einen wesentlichen Drahtzieher eines Stimmenankaufs für die WM-Entscheidung.
Einer möglichen Anklage durch die Schweizer Bundesanwaltschaft 2019 entging Beckenbauer aufgrund eines Attests seiner Ärzte. In diesem wurde sein schlechter Gesundheitszustand ausgeführt, welcher eine Vernehmung ausschliesse, da jede Anstrengung für ihn lebensgefährlich sein könne.
Und Beckenbauer zog wieder einmal seinen Kopf aus der Schlinge. Doch selbst bei Beckenbauer, der das Glück so oft auf seiner Seite hatte, schlug das Schicksal brutal zu. Und zwar, als 2015 sein Sohn mit 46 Jahren an einem Hirntumor starb. Weggefährten von Beckenbauer sahen den Lebemann damals erstmals nachdenklich, gebrochen und tieftraurig.
Diesen Schicksalsschlag hat Franz Beckenbauer nie richtig verarbeitet. Dazu kamen schwere gesundheitliche Probleme. Zuletzt hatte der Kaiser einen Augeninfarkt und konnte deshalb auf einem Auge gar nichts mehr sehen.
Immer mehr zog er sich deshalb aus der Öffentlichkeit zurück. Es gibt nur noch wenige Bilder aus dieser Zeit. Sie zeigen einen abgemagerten, kranken Mann, der keine Kraft mehr hatte.
Nun wurde Franz Beckenbauer von seinem Leiden erlöst. Franz Beckenbauer ist tot. Es lebe der Kaiser.