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Freitag
03.07.2009

Samir, der erfahrene Produzent (Dschoint Ventschr), Filmer und Regisseur («Snow White»), nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um Schweizer Filme und Kulturpolitik geht. Wie viele andere aus der Filmbranche ist er gar nicht gut zu sprechen auf Nicolas Bideau, Leiter der Sektion Film im Bundesamt für Kultur (BAK). Der Schweizer Film zerreisst zurzeit keine Stricke und macht eher durch negative Schlagzeilen auf sich aufmerksam. Nach den Superjahren 2005 und 2006 gings bergab. Samir stand Klein-Report-Mitarbeiter Rolf Breiner Red und Antwort.

Was ist schief gelaufen?
Samir
: Die Filmkritik war vor zwei, drei Jahren dem Schweizer Film gegenüber sehr wohlwollend gestimmt, da konntest du bringen, was du wolltest. Jeder Film wurde wohlwollend behandelt. Der Schweizer Film hatte einen Bonus, und die Leute waren neugierig darauf. Jetzt haben wir einen Backlash.

Aber was stimmt nicht mit dem Schweizer Filmer?
Wenn du an einem so hochwertig kulturell interessierten Publikum in der Schweiz vorbei produzierst und versuchst, populäre Stoffe im Mainstream-Verfahren durchzusetzen, dann wird am Markt vorbei produziert. Ich glaube, dass sich die Idee, einen möglichst populären Mainstream-Film zu produzieren, als Fehlleistung bei uns erwiesen hat.

Was ist dagegen zu tun?
Meiner Meinung nach sollte man zum Erfolgsmodell 2005/06/07 zurückkehren. Das heisst: Viele kleine, aussergewöhnliche Filme fördern, dafür wenige Mainstream-Filme, und diesen sollte die Latte für die Story, das Vermögen des Regisseurs und die Promotion wieder höher gelegt werden.»

Das entspricht aber nicht der erklärten Politik des Leiters der Sektion Film im Bundesamt für Kultur, Nicolas Bideau, der Mainstram-Filme fördern will.
«Nicht nur uns wurden in den letzten drei Jahren praktisch alle Arthouse-Filme beschnitten. Bideau gebärdet sich als Sonnenkönig. Der Mann hat erfolgreich gewachsene Strukturen zerstört, welche die Branche in den letzten 30 Jahren aufgebaut hat. Er hat das Netzwerk, das Know-how und das Wissen um Produktion innerhalb von drei Jahren zerschlagen. Das Verhältnis zwischen der Branche und den Staatsfunktionären war schon immer diffizil. Die Branche war verantwortlich und wurde nun entmündigt.

Muss Bideau abgelöst werden?
Die Mehrheit meiner Kollegen ist für eine grundlegende Änderung, das bedeutet auch personelle Änderungen. Das Ziel heisst: Zurück zur Zauberformel - viel Geld für viele kleine Projekte. Es brodelt in der Branche. Nun müsste der neue Bundesrat nach Couchepin aufräumen und die Filmförderung professioneller aufbauen. Die Idee eines unabhängigen Filminstituts wird von allen Verbänden forciert.

Wie haben Samir und Dschoint Ventschr die Entwicklung am eigenen Leib, in der Praxis erlebt?
«Wir haben seit 1994 um die 60 Filme produziert, ein Drittel davon fürs Kino. Darunter waren nur drei Flops, die beim Schweizer Publikum nicht ankamen: «Clandestins» (1997), «Birdseye» (2002) und «Räuberinnen» (2009). Als Filmproduktion haben wir zwischen 2003 und 2007 durch unsere erfolgreichen Kinofilme mehr als alle andern erfolgsabhängige Mittel erhalten (Succes Cinema). Dadurch konnten wir uns über Wasser halten, denn seit dem Antritt von Bideau wird alles abgelehnt, abgesehen von einigen kleinen Dokumentarfilmen.»

Womit beschäftigt sich Samir als Filmer?
«Neben dem Produzieren bereite ich einen Dokfilm über meine irakische Familie vor. Eine globalisierte Familie zwischen Auckland, Moskau, London und Los Angeles. Daneben arbeite ich an neuen eigenen Spielfilmen. Aber ich mache mir keine Illusionen, solange diese Leute am Drücker sind - in der Kommission und im Bundesamt - gehts nicht vorwärts.»

Am 22. Januar 2009: Solothurner Filmtage: «Räuberinnen» gingen in die Hosen. Mehr Erfolg für Samir & Team am 13. August 2006: «Das Fräulein» gewinnt 59. Internationales Filmfestival Locarno und davor im November 2005: «Snow White» mit drei Nominierungen für Schweizer Filmpreis 2006. Im August 2006: Aargauer Kulturpreis 2006 an Samir verliehen